Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
alles.“
„Quatsch. Sie will nichts mit uns zu tun haben, und das weißt du ganz genau. Du willst es nur nicht zugeben. Du lässt dich von der Tatsache blenden, dass sie Marios Tochter ist. Und wenn sie wieder da ist, dann ist das für dich, als wäre ein Teil von Mario wieder da. Du kannst nicht darüber hinwegkommen, um deinen toten Sohn zu trauern, nicht wahr?“
Sal hatte genug von Nicos Gejammere. „Hör zu, Junge.“ Er ließ sich von der körperlichen Größe seines Sohnes nicht einschüchtern und baute sich direkt vor ihm auf. „Zunächst einmal ist das mein verdammtes Geld, also mache ich damit, was ich will. Und zum anderen ist Rachel ein Teil dieser Familie und meine Erbin. Wenn ich sterbe, bekommt sie die Hälfte von allem, was ich besitze. Es ist ihr Geburtsrecht. Hast du das verstanden?“
Nicos Gesicht lief so rot an, dass Sal einen Moment glaubte, eine Ader müsse platzen. Dann schüttelte sein Sohn den Kopf und verließ mit einem tiefen Grollen den Raum.
21. KAPITEL
In ihrem Landhaus tief in der gebirgigen Gegend der Auvergne warf Ginnie Laperousse eine Werbung fort, in der Sofas zum halben Preis angeboten wurden, und begann, die Post durchzusehen, die sich in den letzten drei Wochen angesammelt hatte.
Das war eines der Probleme, die mit einem Urlaub einhergingen. Man musste sich nicht nur wieder an die tägliche Routine gewöhnen, sondern brauchte mindestens genauso lang, um die Post zu sichten.
Auf dem Stapel, der noch gelesen werden musste, zog sie eine Ausgabe des wöchentlich erscheinenden Paris Match heraus und begann sie durchzublättern, während sie in Gedanken noch im Urlaub war. Sie dachte zurück an die herrliche Zeit, die sie und Hubert in Venedig verbracht hatten. Sie waren Hand in Hand wie zwei Frischverliebte durch die Straßen dieser zauberhaften Stadt spaziert, hatten die faszinierenden Ansichten genossen, waren mit Gondeln gefahren und hatten in kleinen, unbekannten Trattorias gegessen, in denen Hubert Gott sei Dank nicht erkannt worden war.
Sie musste lachen, während sie eine Seite umblätterte. Sie hatten sich sogar unter der Seufzerbrücke geküsst und den Gondoliere dazu veranlasst, „O Sole Mio“ zu schmettern.
Während die Erinnerung sie lächeln ließ, drang eine Pianoadaption von Beethovens Fünfter Symphonie aus dem Musikzimmer an ihr Ohr und erfüllte den Salon mit den reichen, kraftvollen Klängen von Huberts gewaltigem Talent.
Ginnie legte das Magazin einen Moment lang aus der Hand, um seinem Klavierspiel zu lauschen. Mit achtundsechzig Jahren und einer fünfunddreißig Jahre umspannenden Karriere als Konzertpianist hatte er nie besser geklungen, und nie hatte er mit mehr Inbrunst gespielt, oder wie ein Kritiker es beschrieben hatte: mit mehr Herz. Kein Wunder, dass sich die größten Konzerthallen Europas um ihn rissen und er Abend für Abend Standing Ovations erhielt.
Ginnie nahm das Magazin wieder in die Hand und blätterte gedankenverloren weiter. Sie war froh, dass Huberts nächste Tournee erst im November beginnen würde. Sie hatte ihn lieber bei sich zu Hause, um ihn am Nachmittag mit einem Tee zu überraschen – und mit den sündigen Hörnchen, einer Spezialität der Auvergne, nach der sie süchtig geworden war.
Sie sah auf die Uhr und bemerkte, dass es fast Zeit war. Auch Hubert musste es gemerkt haben, da er zu spielen aufgehört hatte. Gerade wollte sie ihre Haushälterin Mademoiselle Desforges rufen, um sie wissen zu lassen, dass sie bereit waren, da fiel ihr Blick auf die aufgeschlagene Seite der Zeitschrift. Im gleichen Moment schien ihr das Blut in den Adern zu gefrieren.
Das Gesicht, das sie von einem der Fotos anstarrte, war das einer hübschen jungen Frau, die einer gut dreißig Jahre jüngeren Ginnie so ähnlich gesehen hätte, dass sie ihre Zwillingsschwester hätte sein können. „Oh, mein Gott!“
Bevor Ginnie nach ihrem Mann rufen konnte, kam der schon mit besorgtem Gesichtsausdruck aus dem Musikzimmer geeilt. Er war ein großer, gut aussehender Mann mit silbergrauem Haar, einem schmalen schwarzen Schnäuzer und eleganten, aristokratischen Gesichtszügen.
„Chérie, was ist los?“ fragte er mit seinem von einem leichten französischen Akzent geprägten Englisch. „Du hast geschrien, hast du dich verletzt?“ Besorgt setzte er sich neben sie und nahm ihre Hand.
Sie schüttelte den Kopf und gab ihm das Magazin.
Sein Blick blieb kurz auf dem Foto hängen, dann sagte er irritiert: „Sie sieht genauso aus wie du. Das
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