Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
gegangen war, rief ich Rachel an.“
„Ich bin froh, dass Sie diejenige waren, die es ihr gesagt hat, Schwester.“ Sobald es unbedenklich war, würde sie dem Kloster eine großzügige Spende zukommen lassen. „Wie hieß dieser Mann?“
„Gregory Shaw.“
Ginnie durchforstete ihr Gedächtnis, konnte sich aber an niemanden erinnern, der so hieß. „Danke, Schwester“, sagte sie erneut. „Danke für diese wunderbare Neuigkeit, und danke, dass Sie den Behörden nichts davon gesagt haben, dass ich gar nicht tot bin. Ich weiß, dass Sie ein großes Risiko eingegangen sind.“
Die Nonne sprach mit ruhiger Stimme, als sie antwortete. „Sie müssen sich nicht bedanken. Ich habe das getan, wofür ich auf dieser Erde bin: Menschen in Not zu helfen. Und als Sie in jener Nacht vor unserer Tür standen, hatten Sie Hilfe nötig.“
„Ich werde niemals vergessen, was Sie für mich getan haben.“
„Leben Sie wohl, mein Kind, und möge Gott mit Ihnen sein.“
Ginnie legte auf und musste sich einen Moment lang am Tisch festhalten.
„Komm, Chérie “, sagte Hubert und half ihr zurück zum Sofa. „Möchtest du ein Glas Wasser? Oder lieber etwas Hochprozentiges?“
Sie schüttelte den Kopf. „Es geht mir gut.“ Sie sah auf, und Tränen vollkommener Freude schossen ihr in die Augen. „Oh, Hubert, mein Baby lebt. Mein wundervolles kleines Mädchen lebt.“
Auch Hubert standen die Tränen in den Augen, als er sie liebevoll ansah. „Ich weiß, Darling, es ist eine wunderbare Nachricht. Einfach unglaublich.“
„Ich muss sie sehen, Hubert. Ich muss nach Kalifornien.“
Wieder zeigte sich Besorgnis in Huberts Augen. „Ist das klug?“
„Es interessiert mich nicht, ob es klug ist. Ich muss meine Tochter sehen, und ich brauche deinen Rückhalt dabei, Hubert. Sag bitte, dass du mich verstehst und dass du mich begleiten wirst.“
„Natürlich komme ich mit. Es ist nur ...“
„Was?“
„Sucht jemand nach dir? Hat die Schwester das gesagt?“
Ginnie nickte. „Sal Dassante sucht noch immer nach mir. Und ein anderer Mann namens Gregory Shaw.“
„Sollten wir uns seinetwegen Sorgen machen?“
„Ich weiß nicht, ich habe noch nie von ihm gehört.“ Vielleicht arbeitet er für Sal, ging es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie erinnerte sich daran, dass Jonsey bei ihrem letzten Telefonat erzählt hatte, Sal habe einen neuen Privatdetektiv angeheuert.
Hubert lief eine Weile im Zimmer umher, die Arme vor der Brust verschränkt, und tippte mit dem Zeigefinger gegen seinen Mund, so wie er es machte, wenn er an einem Arrangement arbeitete. „Also gut“, sagte er schließlich. „Wir fliegen, aber wir übernachten weder in einem Hotel noch in einer Pension. Wir mieten uns irgendwo im Napa Valley ein Haus und halten uns bedeckt. Ich kann das Risiko nicht eingehen, dass dich jemand erkennt oder deine Ähnlichkeit mit Rachel Spaulding bemerkt.“
Ginnies angespannte Nerven begannen sich zu beruhigen. Der gute, wunderbare Hubert. Er hatte in all den Jahren einen so positiven, beruhigenden Einfluss auf sie ausgeübt, und das würde er auch weiterhin machen, ganz gleich, welche Krisen noch vor ihr liegen mochten.
Während Hubert am Telefon alle notwendigen Reisevorbereitungen traf, stand Ginnie am Fenster und hielt das gerahmte Foto ihres zwei Wochen alten Babys fest an sich gedrückt.
Auf der grünen, freien Weide sammelte sich ein Dutzend Kühe, die früher am Tag gelangweilt gegrast hatten. Dass sie sich jetzt sammelten, war ein Zeichen für einen nahenden Sturm. In der Ferne war Rocher St. Michel, überragt von der kleinen Kapelle gleichen Namens, die durch den Dunst noch gerade zu erkennen war. Noch weiter dahinter, am anderen Ufer des Allier, zogen schwere Regenwolken zusammen und kamen rasch näher. In der Auvergne wurde es früh Winter, und es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre das Cantal-Gebirge schneebedeckt.
Vor einunddreißig Jahren hatte es Ginnie in diesen zerklüfteten Teil Mittelfrankreichs verschlagen, zu einer Zeit, als sie immer noch einen entsetzlichen Verlust zu verarbeiten versuchte. Zu ihrer Überraschung hatte sie hier Frieden und Glück gefunden, beides verdankte sie Hubert.
Der drohende Sturm erinnerte sie an jene grauenvolle Nacht in Winters, eine Nacht, die sie in Gedanken Tausende Male durchgespielt und sich gewünscht hatte, sie hätte sich anders verhalten.
Sie konnte sich nicht daran erinnern, wann ihr bewusst geworden war, dass sie Mario nicht mehr liebte. Inzwischen war
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