Macht des Schicksals - Spindler, E: Macht des Schicksals
Gregory das Radio aus. Rachel sah ihn erstaunt an. „Was sollte das? Milton ist doch dein Vater, oder?“
„Ja, und?“
„Er sollte etwas sagen. Warum hast du ausgemacht?“
„Mich interessiert nicht, was er zu sagen hat. Ich wollte nur das Urteil hören. Jetzt weiß ich, dass Freddy das bekommen hat, was er verdient. Aber ich will nichts davon hören, wie mein Vater in Berufung gehen will.“
So wie er sprach, wurde ihr klar, dass etwas zwischen ihm und seinem Vater nicht stimmte. „Tut mir Leid. Habe ich irgendetwas Falsches gesagt?“
„Nein.“
Die Neugier siegte. „Du verstehst dich nicht sehr gut mit deinem Vater?“
Er überholte einen Lastwagen, dann erwiderte er: „Sagen wir mal so: Ich habe ihn schwer enttäuscht.“
„In welcher Hinsicht?“
„In jeder. Von meiner Geburt an.“ Er schwieg sekundenlang. „Meine Mutter starb bei der Geburt.“
„Oh, Gregory, das tut mir Leid.“ Sie betrachtete sein Profil. „Willst du sagen, dass er dir dafür die Schuld gibt?“
„Ich will gar nichts damit sagen. Ich weiß, dass er mir die Schuld gibt. Ich habe gehört, wie er das zu Tante Willie sagte, als ich noch klein war.“
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie ein Kind mit derartigen Schuldgefühlen groß werden musste. „Das ist schrecklich.“
„Ich habs überlebt, aber danach zerfiel unsere Beziehung ziemlich schnell. Es wurde noch schlimmer, als ich beschloss, statt Anwalt Privatdetektiv zu werden.“
„War das denn so schlimm?“
Er lachte. „Mein Vater war jedenfalls der Ansicht.“
„Aber er ist doch heute bestimmt stolz auf dich, wenn er sieht, was du aus deinem Leben gemacht hast.“
„Das bezweifele ich“, sagte er, während er sich auf die Straße konzentrierte. „In seinen Augen werde ich immer ein Feigling sein.“
Unter der Verbitterung entdeckte Rachel ein viel tiefer sitzendes Gefühl: Traurigkeit. „Wie oft siehst du ihn?“ fragte sie sanft.
„So selten wie möglich. Einmal im Monat setze ich meine Tochter sonntags zum Mittagessen bei ihm ab, und ein paar Stunden später hole ich sie wieder ab. Ich gehe nicht ins Haus, er kommt nie raus.“ Er zuckte mit den Schultern. „Auf diese Weise ist es leichter.“
„Für dich vielleicht. Aber was ist mit deiner Tochter?“
Gregorys Stimme wurde sanfter. „Je älter Noelle wird, umso schwieriger wird es. Sie weiß, dass mein Vater und ich unsere Meinungsverschiedenheiten haben, und sie sagt, dass sie das versteht. Aber ich bin nicht sicher, dass sie es wirklich versteht.“
Rachel lächelte. „Klingt nach einer bemerkenswerten jungen Frau.“
„Das ist sie auch, du würdest sie mögen“, sagte er, während Stolz in seinen Augen aufflackerte.
„Das glaube ich auch. Wie alt ist sie?“
Er überholte wieder einen Wagen. „Zwölf.“ Eine entgegenkommende beigefarbene Limousine betätigte die Lichthupe und warnte vor einer Radarfalle auf der Strecke. Gregory erwiderte das Signal als Dankeschön und ging vom Gas. „Sie lebt bei ihrer Mutter, aber an den Wochenenden ist sie bei mir. Ich versuche, auch in der Woche etwas mit ihr zu unternehmen, die kleinen Dinge, die Lindsay nicht erledigen kann. Indem ich sie beispielsweise zum Gymnastikunterricht oder zu einer Freundin bringe.“
Seine Stimme war voller väterlichem Stolz, während er über Noelle sprach. Rachel konnte nicht verstehen, wie irgendeine Frau Gregory gehen lassen konnte. „Du und deine Exfrau, ihr scheint mit Noelle wunderbare Arbeit geleistet zu haben“, sagte sie.
„Ich hoffe es.“ Sie hatten Oakland erreicht, und Gregory fädelte den Wagen in den dichten Verkehr auf der Brücke ein.
„Ich wünschte, Courtneys Vater würde in ihrem Leben eine größere Rolle spielen“, sagte Rachel mit einem leisen Seufzer. „Er fehlt ihr sehr, auch wenn sie sich daran gewöhnt hat, dass er nur so selten zu Besuch kommt.“ Sie klappte die Sonnenblende herunter. „Hörst du ab und zu mal was von Luke?“
„Nichts mehr seit letztem Jahr, als er herkam, um ein weiteres Filmteam zusammenzustellen.“
Rachel nickte. „Ja, da haben wir ihn auch zum letzten Mal gesehen.“ Sie musste lachen. „Zuerst habe ich ihn gar nicht erkannt. Mit seinen langen Haaren, dem Bart und seiner Safarikleidung sah er völlig anders aus als der gepflegte junge Mann, der meine Schwester heiratete.“
Einen Moment lang schwiegen sie, aber als sie die Brücke verließen, warf Gregory ihr einen kurzen Blick zu. „Rachel, was diesen Abend angeht ... ich hatte nie die
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