Macht (German Edition)
Formen der Macht für legitim und andere für nicht legitim erklärt. Wie wir gerade gesehen haben, billigen wir alle in gewissen Fällen eine Art Überzeugung, die ihrem Wesen nach eine Anwendung von Gewalt darstellt. Fast jeder würde in leicht vorzustellenden Bedingungen die Anwendung physischer Gewalt, sogar das Töten, billigen. Man stelle sich vor, man hätte Guy Fawkes in flagranti getroffen und die Katastrophe nur verhüten können, dass man ihn niedergeschossen hätte; sogar die ausgemachtesten Pazifisten würden zugegeben haben, dass man recht gehandelt hätte. Der Versuch, die Frage auf der Grundlage abstrakter, allgemeiner Prinzipien zu lösen, indem man bestimmte Handlungen lobt und andere verwirft, ist sinnlos. Wir müssen Macht nach ihren Wirkungen beurteilen und müssen daher zuerst einmal entscheiden, welche Wirkungen wir wünschen.
Ich für meinen Teil glaube, dass, was immer gut oder schlecht ist, in Einzelpersönlichkeiten liegt und nicht in erster Linie in Gemeinschaften. Gewisse philosophische Systeme, die man zur Verteidigung des korporativen Staates gebrauchen könnte – vor allem die Philosophie Hegels –, sprechen Gemeinschaften als solchen ethische Qualitäten zu, so dass ein solcher Staat wundervoll sein könnte, obwohl die meisten seiner Bürger Schurken wären. Ich glaube, dass derartige philosophische Systeme nur die Privilegien der Machthaber rechtfertigen sollen und dass es, wie immer auch unsere Politik beschaffen sein mag, kein stichhaltiges Argument für eine undemokratische Ethik gibt. Ich verstehe unter undemokratischer Ethik eine, die einen Teil der Menschheit von den übrigen absondert und sagt: »Diese Leute sollen es sich wohl sein lassen, und der Rest ist nur dazu da, ihnen zu dienen.« Ich würde eine solche Ethik in jedem Falle zurückweisen, sie hat aber, wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, den Nachteil, sich selbst zu widerlegen, denn es ist in der Praxis sehr unwahrscheinlich, dass die Übermenschen imstande sein werden, das Leben zu führen, das die aristokratischen Theoretiker für sie erdacht haben.
Bestimmte Wunschziele können logischerweise von allen erreicht werden, während andere ihrer Natur nach einem Teil der Gemeinschaft vorbehalten sein müssen. Allen könnte es – mit ein wenig vernünftiger Zusammenarbeit – ganz gut gehen, aber es ist nicht für alle möglich, das Vergnügen zu haben, reicher als der Nachbar zu sein. Alle könnten sich eines bestimmten Grades an Selbstbestimmung erfreuen, aber es ist unmöglich, dass alle Diktatoren über die anderen sind. Vielleicht wird es einmal eine Bevölkerung geben, in der jedermann ziemlich intelligent ist, aber es ist nicht für alle möglich, die Vorteile zu genießen, die ungewöhnliche Intelligenz mit sich bringt. Und so fort.
Gesellschaftliche Zusammenarbeit ist möglich in Bezug auf die guten Dinge, die universal sein können – genügender materieller Wohlstand, Gesundheit, Intelligenz und jede Form des Glücks, die nicht in Überlegenheit über andere besteht. Aber das Glück, das im Sieg im Wettbewerb besteht, kann nicht allgemein sein. Die erste Form des Glücks wird durch Freundlichkeit, die letztere (und die ihr entsprechende Form des Unglücklichseins) durch Unfreundlichkeit gefördert. Unfreundliches Fühlen kann das vernünftige Streben nach Glück völlig lahmlegen; es offenbart sich heutzutage auf diese Weise in den wirtschaftlichen Beziehungen der Nationen. In einer Bevölkerung mit vorherrschend freundlichen Gefühlen wird es keinen Zusammenstoß zwischen den Interessen verschiedener Individuen oder Gruppen geben; die sich heute ereignenden Zusammenstöße werden durch unfreundliches Fühlen verursacht, das sie wiederum intensivieren. England und Schottland bekämpften sich Jahrhunderte hindurch; schließlich kamen sie durch eine zufällige Erbfolge unter den gleichen König, und die Kriege hörten auf. Jedermann war infolgedessen glücklicher, selbst Dr. Johnson, dessen Späße ihm ohne Zweifel mehr Vergnügen bereiteten, als er an gewonnenen Schlachten gehabt hätte.
Wir kommen nun zu bestimmten Schlussfolgerungen bei der Behandlung unseres Themas der Ethik der Macht.
Das äußerste Ziel jener, die Macht haben (und wir alle besitzen ein wenig Macht), sollte in der Förderung gesellschaftlicher Zusammenarbeit bestehen, und zwar nicht in einer Gruppe gegen eine andere, sondern in der ganzen Menschheit. Das Haupthindernis für die Erreichung dieses Ziels ist gegenwärtig das
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