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Macht (German Edition)

Macht (German Edition)

Titel: Macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bertrand Russell
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wenn sie auf demokratischem Wege gewählt sind; und in der gleichen Lage befinden sich die von einer demokratisch gewählten Regierung gewählten Beamten. Je größer die Organisation ist, desto größer ist die Macht der Exekutive. So steigert jedes Anwachsen des Umfanges der Organisationen die Ungleichheit der Macht, indem gleichzeitig die Unabhängigkeit der gewöhnlichen Mitglieder verringert und das Feld der Regierungsinitiative erweitert wird. Der Durchschnittsmensch ordnet sich unter, weil durch Zusammenwirken viel mehr erreicht werden kann als einzeln; der außergewöhnlich machtliebende Mensch freut sich, da er Möglichkeiten erhält – sofern nicht die Regierung erblich ist oder das machtliebende Individuum zu einer Gruppe gehört (wie etwa die Juden in manchen Ländern), die keine wichtigen Stellungen bekleiden darf.
    Kampf um Macht zerfällt in zwei Arten: zwischen Organisationen und zwischen Individuen um die Führung innerhalb einer Organisation. Zwischen Organisationen entsteht Kampf nur dann, wenn sie mehr oder weniger ähnliche, aber miteinander nicht vereinbare Ziele haben; der Kampf kann wirtschaftlicher, militärischer oder propagandistischer Natur sein oder zwei oder alle drei Methoden einschließen. Als Napoleon III. dabei war, sich zum Kaiser zu machen, musste er eine seinen Interessen ergebene Organisation schaffen und dann seine Oberherrschaft sichern. Zu diesem Zweck gab er manchen Leuten Zigarren – das war wirtschaftlich; anderen sagte er, dass er der Neffe seines Onkels sei – das war Propaganda; schließlich erschoss er eine Anzahl von Gegnern – das war militärisch. (18) Seine Gegner hatten sich mittlerweile dem Lob der republikanischen Regierungsform gewidmet und Zigarren und Kugeln übersehen. Die Technik, wie man eine Diktatur über eine ehemalige Demokratie errichtet, ist seit griechischen Zeiten bekannt gewesen und verlangt jedesmal die gleiche Mischung von Bestechung, Propaganda und Gewalt. Das steht allerdings gegenwärtig nicht zur Diskussion, sondern vielmehr die Biologie der Organisationen.
    In zwei wesentlichen Bedingungen können Organisationen sich voneinander unterscheiden: die eine ist die Größe, die andere ist, was man Machtdichte nennen könnte, womit ich den Grad von Kontrolle meine, den sie über ihre Mitglieder ausüben. Aus Machtliebe, die bei Erwerbern von Regierungsposten erwartet werden kann, wird jede Organisation beim Fehlen von Gegenkräften danach streben, in Umfang und Machtdichte zuzunehmen. Jede Wachstumsform kann durch wirkliche Ursachen aufgehalten werden; ein internationaler Schachklub zum Beispiel kann dazu kommen, alle Spieler von genügender Klasse in sich zu schließen und wird wahrscheinlich nicht die Handlungen seiner Mitglieder beaufsichtigen wollen, die nicht mit Schach verbunden sind. Er könnte unter einem energischen Sekretär versuchen, mehr Leute »schachbewusst« zu machen, aber das wird wahrscheinlich nicht geschehen, wenn der Sekretär ein guter Schachspieler ist; und wenn es geschehen sollte, so könnte der Klub durch den Weggang der besten Spieler ruiniert werden. Aber solche Fälle sind Ausnahmen; wo der Zweck der Organisation ein allgemeiner ist – zum Beispiel Reichtum oder politische Herrschaft –, wird der Größenzuwachs nur entweder durch den Druck anderer Organisationen aufgehalten oder dadurch, dass die fragliche Organisation weltweiten Umfang annimmt; und Zuwachs an Dichte wird nur da aufgehalten, wo die Sehnsucht nach persönlicher Unabhängigkeit überwältigend stark wird.
    Das einleuchtendste Beispiel dafür ist der Staat. Jeder Staat, der genügende Macht besitzt, ist auf Eroberung aus; gegenteilige Beispiele ergeben sich nur, wenn ein Staat aus Erfahrung weiß, dass er weniger stark ist als er scheint, oder aus Unerfahrenheit glaubt, er sei nicht so stark, wie er in Wirklichkeit ist. Die allgemeine Regel ist, dass ein Staat erobert, was er erobern kann, und nur dann innehält, wenn er eine Grenze erreicht, wo ein anderer Staat oder andere Staaten einen gleich starken Druck ausüben können. Großbritannien hat Afghanistan nicht erobert, weil Russland dort genauso mächtig wie die Engländer ist; Napoleon verkaufte Louisiana an die Vereinigten Staaten, weil es ihm nicht möglich war, es zu verteidigen, und so weiter. Soweit innerliche Kräfte betroffen sind, strebt jeder Staat danach, Weltstaat zu werden. Aber die Macht eines Staates ist in höherem oder geringerem Maße geographisch bedingt: sie strahlt

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