Macht (German Edition)
gehen. Was die Untertanen in ihrer Mehrheit anbelangt, so ist eher Furcht als Zustimmung die ursprüngliche Ursache für ihre Unterwerfung unter einen König, dessen Macht sich über einen einzelnen Stamm hinaus erstreckt.
Weil die Ursachen für Loyalität in einem inneren Kreis und Furcht in der Bevölkerung so einfach sind, ist beinahe jeder Gebietszuwachs souveräner Staaten durch Eroberung und nicht durch freiwilligen Beitritt erfolgt; und aus eben demselben Grunde hat die Monarchie in der Geschichte eine so große Rolle gespielt.
Immerhin hat die Monarchie große Nachteile. Wenn sie erblich ist, ist es unwahrscheinlich, dass die Herrscher immer fähige Leute sein werden; und wenn über die Erbfolge Ungewissheit besteht, wird es zu dynastischen Kriegen kommen. Im Osten begann ein neuer Herrscher in der Regel seine Laufbahn damit, dass er seine Brüder hinrichten ließ; wenn aber einer von ihnen entkam, beanspruchte er den Thron, da dies seine einzige Chance war, die Hinrichtung zu vermeiden. Man lese zum Beispiel Mainuccis »Storia do Mogor«, die die Großmoguln behandelt und klarlegt, dass Erbfolgekriege mehr als jeder andere Umstand zur Schwächung ihres Reichs beitrugen. In unserem Lande ergibt sich aus den Rosenkriegen dieselbe Moral.
Wenn andererseits die Monarchie nicht erblich ist, werden Bürgerkriege noch wahrscheinlicher. Diese Gefahr wird durch die Geschichte des römischen Reiches vom Tode des Commodus bis zum Machtantritt des Konstantin beleuchtet. Nur eine wirklich erfolgreiche Lösung dieses Problems ist bisher gefunden worden: Es ist die Methode, durch welche der Papst gewählt wird. Aber sie ist das letzte Wort einer Entwicklung, die aus der Demokratie hervorging; und auch in diesem Falle zeigt das große Schisma, dass die Methode nicht unfehlbar ist.
Ein noch ernsterer Nachteil der Monarchie liegt in der Tatsache, dass sie in der Regel den Interessen ihrer Untertanen gleichgültig gegenübersteht, sofern sie nicht mit denen des Königs übereinstimmen. Übereinstimmung der Interessen mag bis zu einem gewissen Punkt vorhanden sein. Der König hat ein Interesse daran, innere Anarchie zu unterdrücken, und wird daher vom gesetzeverehrenden Teil seiner Untertanen unterstützt werden, wann immer die Gefahr der Anarchie groß ist. Er hat ein Interesse daran, dass seine Untertanen reich sind, weil das die Steuern ergiebiger macht. Im Kriege werden die Interessen des Königs und seiner Untertanen für identisch angesehen werden, solange er siegreich ist. Solange er die von ihm beherrschten Gebiete ausdehnt, wird der innere Kreis, den er mehr anführt als beherrscht, den Dienst bei ihm vorteilhaft finden. Aber Könige werden durch zwei Ursachen vom richtigen Wege abgebracht: durch Stolz und dadurch, dass sie sich auf einen inneren Kreis verlassen, der seine Kommandogewalt verloren hat. Was den Stolz betrifft: Obwohl die Ägypter den Bau der Pyramiden ertrugen, flüsterten die Franzosen schließlich gegen Versailles und den Louvre; und Moralisten haben immer gegen den Luxus der Höfe ihre Stimme erhoben. »Wein ist verrucht, Frauen sind verrucht, der König ist verrucht«, sagt man uns in den Apokryphen.
Die andere Ursache für den Niedergang der Monarchie ist wichtiger. Könige nehmen die Gewohnheit an, sich auf einen Teil der Bevölkerung zu stützen: die Aristokratie, die Kirche, das Großbürgertum, manchmal vielleicht auch auf eine geographische Gruppe, wie die Kosaken. Allmählich vermindern wirtschaftliche oder kulturelle Veränderungen die Macht der bevorzugten Gruppe, und der König teilt ihre Unpopularität. Er kann sogar so unklug sein wie Nikolaus II. und die Unterstützung der Kreise verlieren, die am meisten auf seiner Seite sein müssten; aber das ist die Ausnahme. Karl I. und Ludwig XVI. wurden von der Aristokratie gestützt, fielen aber, weil das Bürgertum ihnen feindlich gesinnt war.
Ein König oder ein Despot kann seine Macht aufrechterhalten, wenn er in der Innenpolitik beschlagen und erfolgreich in der Außenpolitik ist. Wenn er das Ansehen eines Halbgottes genießt, kann seine Dynastie unbegrenzt weiterdauern. Aber das Wachstum der Zivilisation macht dem Glauben an seine Gottähnlichkeit ein Ende; Niederlage im Krieg kann nicht immer vermieden werden; und politische Beschlagenheit kann nicht ein unveränderliches Attribut der Monarchen sein. Daher kommt es früher oder später, wenn es keine Eroberungen gibt, zur Revolution, und die Monarchie wird entweder abgeschafft oder
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