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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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Beust kein Menschenfänger im klassischen Sinne. Die Größe, die er dem Amt ebenso verlieh, wie das Amt ihm, lag vielmehr in dem Raum, den seine Zurückgenommenheit den Betrachter mit dessen Phantasie zu füllen überließ.
    Ole von Beust war ein guter Bürgermeister, da sind sich fast alle einig. Er hat seine strahlend schöne, manchmal etwas behäbige Stadt wachgeküsst. Das Selbstverständnis und die Stimmung, die er entfachte, sind vor allem aus seiner Amtszeit in Erinnerung geblieben. Auch wenn er zahlreiche Bauprojekte forciert und Privatisierungen vorangetrieben hat. Er bescherte den Bürgern ein monumentales Opernhaus, das ein bisschen teurer wird als geplant und bislang noch auf den ursprünglich für 2010 vorgesehenen Eröffnungstermin wartet. Ertrug stoisch die komödiantischen Auftritte der Schill-Bande, ließ sich bei der Besetzung des Kultursenats zu verwegenen Personalien hinreißen und bastelte zugleich erfolgreich an einer wachsenden Metropole und an seiner eigenen Unverzichtbarkeit.
    Dass er nicht wirklich zaubern kann, weiß Ole von Beust am besten. Er ist ganz und gar unsentimental in der Bewertung seiner eigenen Bedeutung. Und der Vergänglichkeit des Ruhmes. Er hat seine Popularität genossen und erinnert sich gern an die Momente des Überschwangs. Vor allem nach gelungenen Reden, da war er in seinem Element. Aber er braucht die Beachtung jetzt nicht mehr, um sich gut zu fühlen. Es war ja auch immer anstrengend. Und »inzwischen zählen andere Dinge«. Zur Bekräftigung dieses kleinen Satzes, der seine Rücktrittsentscheidung maßgeblich beeinflusste, erzählt er von dem Gleichnis, das ihm seine Mutter immer vorgebetet hat, weil er früher so ein Tausendsassa gewesen ist. Der mit den meis- ten Geburtstagseinladungen, der Lieblingsspielkamerad, keine Feier auslassend, »vordergründig alles toll und nichts bleibt nach.« Er zitiert aus Hugo von Hofmannsthals »Der Tor und der Tod«. Die Geschichte eines Mannes, der zur Abrechnung vor dem Tod steht und um Zeit bittet, weil er doch noch so vieles erleben will. Als der Tod ihm aufzählt, was sein Leben an Fülle für ihn bereithielt, stellt er fest, dass bis dahin alles nur an ihm vorbeigezogen ist, ohne etwas zu halten, ohne innere Bindung. Nun ist es zu spät. Und dann, in dieser sentimentalen Stimmung, fügt Ole von Beust noch eine Weisheit hinzu: »Älter werden heißt, tiefer binden und schärfer trennen.« Das gefällt ihm. Die Pizza ist fertig, selbstgemacht, freut er sich.

    In der Betrachtung von außen sind Machtmenschen stets auf der Jagd nach Beliebtheit und Beachtung, auf der Hatz von Erfolg zu Erfolg, umgeben von hingebungsvollen, kritiklosen Gefolgsleuten und in der Gefahr der permanenten Selbstüberhöhung. Sicher gibt es auch die Hauptdarsteller genau dieses Bildes. Diejenigen, für die öffentliche Aufmerksamkeit Schlüssel zur Selbstwahrnehmung ist, die ihr Ansehen zum Mittelpunkt ihres Wirkens machen und sich allzu bereitwillig an diesem flüchtigen Hochgefühl berauschen. Je größer die Bekanntheit jedoch ist und je bedeutender der Wirkungsgrad, desto dunkler überschatten die Last der Verantwortung und der Druck der permanenten Bewertung die Fähigkeit zur Glücksempfindung. »Wenn es möglich wäre, Ministerpräsident zu sein, mit dem gleichen Stellenprofil, ohne mediale Durchleuchtung und der daraus resultierenden Überzeichnung und Fremdbestimmung, hätte ich lieber diese Variante gewählt«, malt Roland Koch ein Phantasiegemälde, wohl wissend, dass all das in der Herausgehobenheit untrennbar miteinander verbunden ist.

    Ron Sommer hat lange gedacht, er sei ein ganz normaler Manager. Unbemerkt von der Öffentlichkeit, erfolgreich, mit glänzenden Zukunftsperspektiven, das konnte jeder in seinem Lebenslauf nachlesen. Er ist einer von denen, die an den mittelgroßen Rädern drehen und längst wissen, dass sie auch für die großen Räder taugen. Smart, gutaussehend, welt- und sprachgewandt.
    »Das Angebot«, das sich in der Betonung des »das« von allen anderen unterscheidet, erreicht ihn über einen Personalberater, wie viele vorher. Der Auftrag: die Telefonsparte der Post privatisieren, also aus einer betulichen Behörde ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen zu machen. Chef der deutschen Telekom AG. Baumeister des bis dahin größten Börsengangs eines deutschen Unternehmens. Und erster Managerpopstar des Landes.
    Er sitzt jetzt im Garten seines Hauses in Düsseldorf, einem, das man gemeinhin Anwesen nennt. Die

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