Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
erfreulich.
Peter Kabel bewundert Ron Sommer. Nicht weil den die Aura eines TV-Stars umgibt. Aber wie er die Telekom aufgebaut hat, der Börsengang, das grandiose Marketing, das sei schon eine ganz große Nummer gewesen. Ein paar Gemeinsamkeiten sieht er, auch wenn das natürlich ziemlich hochgegriffen sei.
Er war ein Star der New Economy. Einer, dessen Foto die Kühlschränke unzähliger Informatikstudenten-WGs zierte. Sein Unternehmen Kabel New Media eines der Lieblingskinder der Börse. Peter Kabel zieht die Worte beinahe unendlich in die Länge, so als wolle er mit jeder Silbe dorthin zurückfühlen, in diese aus heutiger Sicht unwirkliche, für ihre Galionsfiguren so atemberaubende Zeit. »Ich war eine Ikone für Unternehmertum«, etikettiert er seinen Interims-Status, »ein Held der Digitalbranche.«
Die Medien rissen sich um ihn, wurden nimmermüde, die Geschichte des famosen E-Rabauken zu erzählen, der seinen Laden von null auf hundert geführt hat. Die Wirtschaftsteile der großen Zeitungen wurden verdoppelt, ständig seien neue Magazine auf den Markt gekommen, um den Börsenhype angemessen publizistisch zu begleiten und mit blühenden Werbelandschaften von der New Economy-Blase zu profitieren. »Stopp«, unterbricht er sich selbst rüde, das mit der Blase das sei auch so ein Unsinn. Zumindest könne es für seine Kabel New Media nicht gelten. Er habe echte Geschäfte mit echten Kunden gemacht.
Ein schönes Beratungsunternehmen hatte er aufgebaut, mit einem soliden Wachstum zwischen 1990 und 1997. Hundert Mitarbeiter, zwölf bis fünfzehn Millionen Mark Umsatz und »einer schönen Rendite hintendran«. Seine dritte eigene Firma ist das schon gewesen, er besitzt den Mut, seine Ideen umzusetzen. Schon als es noch etwas Missionarisches hatte, durch die Gegend zu laufen und den Leuten zu erzählen, dass die Zukunft im Internet liegt. »Viele hielten mich in dieser Zeit für einen Nerd«, beschreibt er seine holprigen Anfänge und auch seine Überzeugungskraft: »Ich habe die Leute mit auf eine Reise genommen, die haben sich damit wohlgefühlt.« Er war ein Enthusiast. In der Welt der virtuellen Luftikusse, verschrobenen Programmierer und Tüftler hat er den Kontakt zur analogen Wirklichkeit gehalten. Die Balance geschaffen »zwischen visionärer Kreativität und qualitativem Kundennutzen«.
Die dankten es ihm mit wachsendem Interesse und opulenten Auftragsbüchern.
»Schauen Sie mal raus«, deutet er mir mit einem seitlichen Kopfnicken in Richtung des Fensters, ohne seinen Blick dorthin zu wenden, »der BMW da draußen, der wurde mit unserem Betriebssystem konfiguriert«. Auch andere deutsche Großunternehmen gaben ihre internetbasierten Kundensysteme in die Hände des Branchengurus. Die Produkte sind bis heute gut, die haben Substanz. So wie er. Er sagt das über sich selbst. Er habe Substanz, deshalb seien die Leute auf ihn »abgefahren«. »Später«, fügt er schnell hinzu, um einen möglichen Einwand vorwegzunehmen, »gab es dann auch kritische Aspekte.«
Später sollte aber noch eine Weile und einen gehörigen Hype lang dauern. In diesen Tagen, da selbst die Tagesschau mit dem Börsenkurs der New Economy aufmachte, überholte sich Kabel New Media beinahe stündlich selbst. Ein besonderes Gefühl war das, vor allem, weil es keine Unterscheidung gab zwischen ihm und seinem Unternehmen. Peter Kabel war Kabel New Media und umgekehrt. Er hat versucht »den Brand zu gestalten«, und damit auch sein eigenes Image. Auch wenn er keinen Spaß daran gehabt haben will. »Ich habe das Interesse an meiner Person genutzt, um die Firma bekannter zu machen«, skizziert er seine ganz persönliche Vermarktungsstrategie. Aber richtig getroffen fühlte er sich in den unzähligen Porträts sowieso nie. Nicht mal in den Huldigungen, die es in dieser Zeit fast ausschließlich gab.
Irgendwie sei doch alles abstrakt gewesen. Man habe geglaubt, New Economy sei sowas wie ein riesiges Ferienlager, »die Arbeit wurde nicht gesehen«. Dabei gehört eine Menge dazu, ein Unternehmen zum Erfolg zu führen. Da gibt es ärgerliche Nickeligkeiten und bei weitem nicht nur Sonnentage. Gezeichnet wurden aber Wolkenkuckucksheime, ausschweifende Partysessions, verwegene Arbeitsbedingungen. Peter Kabel verdreht genervt die Augen, während er die gängigen Vorurteile aufzählt. Immer die gleichen langweiligen Geschichten, diese oberflächlichen Betrachtungen. »Wenn man mit eintausendzweihundert Mitarbeitern ein Sommerfest feiert, dann ist
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