Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Wortspiele.
Und wenn er jetzt vor Menschen spricht, dann passiert es ihm selten, dass er wie früher »entweder niedergebrüllt oder gefeiert wird«. Die Bühnenauftritte sind viel seltener geworden und wenn es welche gibt, dann hört man ihm einfach zu.
Sein letzter ganz großer öffentlicher Auftritt war der Tag seines Abgangs. Viele hat er damit überrascht, das hat ihm Spaß gemacht. Und er hat das letzte bleibende Koch-Statement seiner Politiker-Ära gesetzt. Eines, das ebenso mit ihm verbunden sein wird wie die brutalstmögliche Aufklärung. Und das so mancher gleichermaßen in Zweifel zieht: »Politik ist ein faszinierender Teil meines Lebens, aber Politik ist nicht mein Leben«, hat er gesagt. Dann ist er gegangen.
Während Roland Koch mit großem Staatsstreich und einer musikalischen Laudatio seines Freunds Udo Jürgens verabschiedet wurde, hat Ole von Beust den Hinterausgang gewählt. Am Tag des Rücktrittes verkehrte sich die Inszenierung von »good guy« und »bad guy«. Und damit auch die nachträgliche Beurteilung.
Ole von Beust hatte sich wie Roland Koch schon lange mit dem Ausstieg beschäftigt und ist, anders als sein Kollege, um eine klare Antwort auf die wiederkehrenden öffentlichen Fragen dazu herumgetänzelt. Die Überdrüssigkeit war ihm ohnehin ins Gesicht geschrieben. Zu oft, sagt er, habe er sich in den letzten Jahren zu Kompromissen hinreißen lassen, zu vielen leidigen Diskussionen sei er aus dem Weg gegangen. »Man wird dünnhäutiger im Laufe der Jahre«, analysiert er seine zunehmende Gereiztheit bei internen Auseinandersetzungen und der nächsten kritischen Schlagzeile. »Ich war es leid, wegen jeder Aussage und nach jedem Auftritt nach Schulnoten bewertet zu werden.« Am Anfang sei man ehrgeiziger, eitler auch, einfach bereit, einen hohen Preis zu zahlen. Den Preis, der für ihn immer schon die permanente Erfüllung repräsentativer Anforderungen und vor allem der Verlust seiner Privatheit war. So sind die Wochenenden auf Sylt auch Fluchten gewesen, aus dem Korsett der Funktion und der imagefördernden Bürgernähe. Inzwischen bleibt er häufiger in Hamburg, manchmal geht er sogar zu einer Veranstaltung oder zu einem Fußballspiel. Und er sagt nun ganz frei heraus, welchem der beiden rivalisierenden Proficlubs der Stadt seine Sympathie tatsächlich gilt. Die Loslösung, auch aus diesen kleinen Konformitätsfesseln, ist die Belohnung des neuen Lebens.
Wann genau die Akzeptanz des Preises für ihn gekippt ist, die Pflichten lästig wurden, das vermag er nicht auf den Punkt zu benennen. Es sei ein schleichender Prozess gewesen. Langsam und unaufhaltsam.
Er hat die Veränderungen wahrgenommen, benennt ganz offen, dass er Projekte am Anfang mutiger angegangen sei als zuletzt. Und so sind es auch die Errungenschaften der ersten Jahre, die ihn zufrieden durch die Straßen seiner inzwischen erwachsenen Metropole spazieren lassen. »Eine Stadt wie Hamburg, noch dazu meine Heimatstadt, zu regieren, hat etwas Erhabenes.« Er sagt »regieren«, ein Wort, das aus dem aktiven Sprachgebrauch der Regenten eigentlich verschwunden ist, in achtsamer Vermeidung angreifbarer Selbstüberhöhung. Und dass Macht nicht willkürlich ist: »Ich hätte nicht Bürgermeister von Gütersloh oder anderswo sein wollen.«
Seinen Ausstieg verknüpfte Ole von Beust mit einem Thema, für das er sich auf untypische Weise persönlich engagierte und das er damit zur Chefsache gemacht hat. Eine Schulreform für die bildungspolitisch nachhilfebedürftige Hansestadt sollte sein letztes großes Vermächtnis sein. Doch mit seiner lächelnden Durchsetzungskraft hatte der Instinktpolitiker auch das Gespür für die Strömungen in der Stadt verloren. Oder er wurde längst dominiert vom Fatalismus des Aussteigers. Zum zweiten Mal in seiner Regierungszeit stellte sich das Wahlvolk bei einer wichtigen Entscheidung gegen ihn. Bei der Abstimmung über die Privatisierung der Krankenhäuser setzte er sich über das Quorum hinweg. Diesmal zog er am Tag des verlorenen Volksentscheids die Konsequenzen aus dem Ergebnis und zugleich seine persönliche Reißleine.
Gegangen wäre er auch, wenn das Bürgervotum zu seinen Gunsten ausgefallen wäre. Sein Nachfolger stand lange schon fest. Vielleicht hätten die Hamburger ihm dann auch nicht ganz so sehr gezürnt. Getäuscht haben sie sich gefühlt, von einem, der den Wählerauftrag auf halbem Wege über Bord wirft. Der die Partei und die Koalition so sehr auf sich zugeschnitten hat, dass
Weitere Kostenlose Bücher