Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
Bücherstapel wächst und will abgearbeitet werden.
Die Verabschiedung ist freundlich und beinahe erleichtert. Und dann fällt ihm noch etwas ein. Chef von Porsche zu sein, das wäre noch mal was. Diese Effizienz, diese Geschwindigkeit. Jeden Abend noch mal so einen Wagen über die Strecke zu scheuchen, das wäre grandios. Das Telefon klingelt, er nimmt den Hörer ab.
Die Auflösung
»Meine Politik ist derzeit nicht mehrheitsfähig.«
Tanja Gönner
An dem Wochenende, als zum dritten Mal in den vergangenen drei Jahren ein neuer Bundespräsident gewählt wird, nimmt Gesine Schwan eine hohe französische Auszeichnung entgegen. Es ist ihr vermutlich eine Ehre, aber sie wäre lieber Bundespräsidentin geworden. Einfach, weil sie so gern Bundespräsidentin geworden wäre. So gern, dass sie gleich zweimal zur Wahl angetreten ist und dabei einen Tabubruch begangen hat. Nie zuvor in der Geschichte des Landes wurde ein Amtsinhaber im höchsten Staatsamt, der sich selbst zu einer zweiten Amtszeit angemeldet hatte, von einer Gegenkandidatin herausgefordert.
Zu unserem Gespräch kommt sie etwas zu spät und gehetzt, einen roten Rollkoffer hinter sich herziehend, sie ist auf der Durchreise in ihrem eigenen Büro. Wir hatten uns einige Wochen zuvor kennengelernt, bei einem Abendessen über den Dächern Berlins, das der CEO einer Werbeagentur zu Ehren eines Kunstmäzens ausrichtete. Sie kam auch dort zu spät, verpasste den Hauptgang und den Kunstmäzen und wurde dennoch sofort zum Mittelpunkt der prätentiösen Tafel. Die sprudelnde Herzlichkeit, mit der sie den Raum füllte, wurde durch ihren Ehemann Peter Eigen, den Gründer von »Transparency International«, effektvoll unterstrichen. Mit seiner würdevollen Gelassenheit kontrastiert und verstärkt er die intellektuelle Umtriebigkeit seiner Frau, die dieses Parkett, wie zweifellos jedes andere, so kinderleicht bespielte.
Für ein neues Beziehungsmodell, für ihrer beider Beziehungsmodell, in Schloss Bellevue und dem ganzen Land zu werben, ist ihr ein Anliegen gewesen. Und ist es noch, auch wenn sie nun nicht die ganze Symbolkraft des Staatsoberehepaares nutzen darf, um ihre Überzeugung für ein Rollenbild zu vermitteln, das auf Partnerschaftlichkeit und Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen basiert. Ihr Mann sollte nicht nur Kostümträger sein, der sich auf Auslandsreisen beim obligatorischen Damenprogramm verdingt und die Zeiten dazwischen mit Wohltätigkeitsveranstaltungen füllt. Er sollte auch weiterhin die weltweite Korruption bekämpfen, politische Gedanken entwickeln und das Frühstück vorbereiten, während sie den Menschen im Land eine Orientierung geben, sich mit gesellschaftspolitischen Positionen einmischen und gleichfalls das Frühstück vorbereiten würde. Vor jeder der beiden Kandidaturen hat sie sich lange mit Peter Eigen beraten. Ihre Beziehung war noch jung und die verbindend erfahrungsprallen Lebensgeschichten hatten ihrer beider Priorisierungen verrückt. Er war hin und hergerissen, weil er um die Zeit mit ihr fürchtete, die sie beide so sehr genossen, und riet ihr dennoch zweimal zu, weil er an ihre Kraft und ihren guten Einfluss auf das Land glaubte.
Die beiden Bewerbungen haben Gesine Schwan eine Aufmerksamkeit und Bekanntheit gebracht, die es ihr erleichtern, nun auf ihre Weise Einfluss auszuüben, auch wenn sie verloren hat. Mit ihrem Namen kann sie jetzt mehr bewirken für das, was ihr besonders am Herzen liegt. Sie hat eine Schule gegründet, deren Ziel es ist, den Trialog zu fördern zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Vertrauen zu schaffen zwischen Institutionen, die oft nicht viel voneinander halten und doch aufeinander angewiesen sind, wenn es vorangehen soll mit Deutschland. Hier ist sie Präsidentin.
Wenn sie über Vertrauen spricht, was für Gesine Schwan so viel bedeutet wie der Freiheitsbegriff für andere, dann untermalen keine überbordende Gestik, kein auffallendes Mienenspiel die Enttäuschungen, die sie im Verlauf ihrer zweiten Kandidatur erlitten hat, die eine Gerechtigkeitsfanatikerin wie sie ins Mark treffen müssen.
Zu ihrer ersten Kandidatur wurde sie gebeten. Gerhard Schröder rief an, sie war gerade in Harvard, und fragte sie, ob sie sich zutraue, gegen den Kandidaten der CDU, der sich aus dem Trio Anette Schavan, Heinrich von Pierer und Horst Köhler herausbilden sollte, anzutreten. Die Gegenüberstellung schreckte sie nicht, sie war die Wunschkandidatin der sozialdemokratischen Partei, der sie
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