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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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dementsprechend länger unverheilt. Manchmal für immer. Einige versuchen, das Abrückungsphänomen professionell zur unumgänglichen geschäftlichen Gepflogenheit zu erklären. Andere sehen darin noch lange Zeit später den eigentlichen Ursprung ihres Scheiterns. Jeder ungewählte Abschied kennt die Gesichter der Abtrünningen, die des Verrates. So wie jeder Kündigung eine ungerechte Bewertung zugrunde liegt, aus der Sicht des Gekündigten. Jeder Ablehnung ein Irrtum.
    Heide Simonis, die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin und Ikone aller schäbig Verratenen, skizziert den klassischen Verlauf in einem Interview: »Es läuft nach dem gleichen Muster ab, man wird etwas und aus der Gruppe heraus sagen die alle prima. Man gehört zu denen, die es geschafft haben. Dann gibt es die erste Kritik, dies war nicht gut, jenes war nicht gut. Der erste Zeitungsartikel, der vor Hinterlist trieft, und dann merkt man auf einmal das Surren, das Messer.«
    Einige versuchen, sich mit demonstrativer Abgeklärtheit selbst zu überlisten, indem sie die Namen der Intriganten niemals aussprechen. Andere drängt es danach, die Sachverhalte richtigzustellen, um die Verschwörer ins unrechte Licht zu rücken. Der Schmerz sitzt umso tiefer, je tiefer die Bindung, je verzweifelter der Kampf um die Reanimierung der Beziehung, der gemeinsamen Idee gewesen ist. So mancher verbeißt sich geradezu in den Wunsch nach Gerechtigkeit im Sinne der eigenen Wahrheit. Wenige nur sind zu verzeihlicher Differenziertheit oder wenigstens zu entlastender Gleichgültigkeit imstande.
    Manchmal scheint es, als sei die Intrige längst ein etabliertes, legitimes Mittel zur Zielerreichung. Dabei ist die Intrige immer zerstörend, nie gestaltend. Doch nicht jedes Abrücken ist eine Intrige. In ihrem inflationären Gebrauch taugt die Definition ihrem Opfer auch zur Kaschierung der eigenen Unzulänglichkeit. Denn so manches Bündnis löst sich durchaus begründet auf. Doch meist verhindern Abhängigkeiten, aufkeimende Ambitionen oder einfach fehlende Couragiertheit eine offene Aussprache, die dem Stürzenden zum ungetrübten Blick auf die bedrohlichen Entwicklungen verhelfen könnte.

    Gesine Schwan fühlte sich im Verlauf ihrer zweiten Kandida- tur von wichtigen Teilen ihrer Parteifreunde im Stich gelassen. Wolfgang Berghofer wurde im Jahre 1989 von einem ganzen Volk verlassen. Und von seiner Überzeugung.
    Essen, die staubige Stadt im Ruhrgebiet, ist bekannt für ihre geschichtsträchtigen Großkonzerne und als Heimat verblassender Schwerindustrie. Als Sinnbild für das Schlaraffenland fiel die Ruhrmetropole bisher allerdings aus. Wolfgang Berghofer lacht herzhaft bei diesem Vergleich, der sich nach seiner munteren Eröffnungsepisode anbietet. Schlaraffenland, das ginge vielleicht zu weit. Aber Essen ist der Ort, an dem sich seine Augen öffneten, in Anbetracht dessen, was der real existierende Kapitalismus zu leisten imstande ist. Als Oberbürgermeister von Dresden war er 1986 zur Eröffnung der vielbeachteten Kunstausstellung »Barock in Dresden« in die BRD gereist. Auf Anweisung seines Chefs, Erich Honecker. Er saß am Tisch mit Richard von Weizsäcker und ein paar weiteren Vertretern des Klassenfeindes. Wundersamerweise waren es Männer wie er: »Die lachten wie ich, die sprachen wie ich, die blickten genauso auf die Welt wie ich.« Seine damalige Irritation versucht er mit schriller Sprachmelodie nachzustellen. Zum Abschluss der Zusammenkunft führte ihn sein Essener Amtskollege an die markanten Orte einer funktionierenden westdeutschen Stadtverwaltung. »Stadtwerke, Wasserwerke, alles, was bei uns als Staatsgeheimnis gehütet wurde, weil es so marode war.« Er fühlte sich wie ein Kind im Spielzeugladen, alle Traumspielzeuge in anfassbarer Nähe. »Ich habe am Steuer eines Busses gesessen, ausgestattet mit dem modernsten Verkehrsleitsystem. In Dresden lag die Straßenbahn damals so tief, dass sie, wenn man ein Dach drüber baute, als U-Bahn durchgehen konnte.« Das klingt lustig. Wolfgang Berghofer sagt viele lustige Sachen. Er hat verstanden, dass die Menschen ihm noch lieber zuhören, wenn er seine Geschichte in vergnügliche Bilder packt. »Selbst die Manager, die bei Vorträgen nach drei Minuten die Handys rausholen.« Die merkten dann, dass sie wenig wissen von der friedlichen Revolution und ihren Ursprüngen. Und von den Unzulänglichkeiten der SED-sozialistischen Infrastruktur. Die Straßenbahnen mussten irgendwann aufgrund der

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