Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
mit einem ehrlichen Aufräumen gerechnet, mit einer klaren Neudefinition und mit der Bildung einer linken Partei im demokratischen Sinne. »Aber damit bin ich gegen Wände gelaufen.«
Irgendwie sei er sogar froh, sagt Wolfgang Berghofer jetzt, dass alles so gekommen ist. »Manchmal ist Machtverlust auch eine Erlösung.« Manche Partei hat sich um ihn bemüht, sogar die CDU wollte ihn zum sächsischen Ministerpräsidenten machen. »Aber ich hätte mich mehr mit meiner Vergangenheit beschäftigen müssen als mit konstruktiver Arbeit.« Er habe schließlich Wahlen gefälscht. Er war nun mal bedingungslos bereit, seine Aufträge zu erfüllen. Bereut er seine Interpretation von Bedingungslosigkeit im Nachhinein? Er schweigt jetzt lange. »Wissen Sie«, verrät er dann mit ausdrucksstarker Langsamkeit, »ich habe bis heute eine offene Wunde: Dass es mir immer gutgegangen ist und auch jetzt wieder gutgeht, das tut mir weh«. Weil er sein Wohlgefühl auf Kosten anderer erreicht hat? »Nein, nein«, das habe er nun nicht, widerspricht er ohne Nachdruck, »aber ich habe mir immer gewünscht, dass es allen besser geht«.
Er habe auf seine Weise versucht, einen Beitrag dazu zu leisten. Auch wenn er sich der angreifbaren Ambivalenzen bewusst ist. Wie in dieser Zeit, als er die Staatssicherheit als IM Falk mit Nichtigkeiten versorgte. So jedenfalls steht es in seiner Stasi-Akte. Als Informant sei er untauglich, eine weitere Zusammenarbeit nicht zu empfehlen. Er zeigt dieses Zeugnis seines mangelhaften Konformismus bereitwillig, bestrebt, das Bild des Profiteurs zu entkräften.
Wie er es dennoch immer geschafft hat, dass es ihm vergleichsweise gutging, warum er trotz der sperrigen Kollaboration ohne Sanktionen geblieben ist, das weiß er auch nicht so recht. Manches habe er erst viele Jahre später erfahren. Dass seine »gotteslästerlichen Reden« nie in der Stasi-Akte aufgetaucht sind zum Beispiel. Da sei ihm wohl jemand wohlgesonnen gewesen. Auch sein unmittelbarer Vorgesetzter Modrow habe ihn an der langen Leine gelassen. Solange alles reibungslos läuft, lautete der unausgesprochene Pakt. »Wenn allerdings irgendwann etwas schiefging, musste ich allein den Kopf vor dem Politbüro hinhalten, dann hatte der Modrow eine Sportverletzung und war nicht transportfähig.«
Wolfgang Berghofer hat sich seine Notfallversicherungen aufgebaut. Durch schlaue Allianzen mit den Geheimdiensten zum Beispiel. Vor allem aber durch das Knüpfen zahlreicher Verbindungen in ganz Europa. Stolz zählt er die illustre Reihe der Dresdner Städtepartnerschaften auf: »Da wussten alle zu Hause: Wenn wir dem die Flügel stutzen, dann fällt es auf im kapitalistischen Ausland.« Er ist eben mit allen Wassern gewaschen, würde er jetzt gern hinzufügen, aber dann besinnt er sich darauf, dass er das nicht zu erwähnen braucht.
Seine Biographie spricht für sich. Er hat es geschafft, auch im wiedervereinigten Deutschland. Obwohl er eine Zeitlang damit liebäugelte, ganz woanders hinzugehen, befreit von den Schatten seiner Vergangenheit. Ein Job in Südafrika wurde ihm angeboten, aber das Apartheidsregime, das fand er abstoßend. Er hat sich eine Aufgabe in der Wirtschaft gesucht, »weil ich Brot brauchte und Otto Schily nun wirklich nicht billig war«, plänkelt er und zwinkert dabei mit dem rechten Auge. Bei einem mittelständischen Betrieb in Schwaben machte er seine Ausbildung in Marktwirtschaft. Alles war neu, vieles absonderlich, aber er genoss die »riesige Entscheidungsbefugnis« und eine alleinige Zeichnungsberechtigung über viele Millionen Euro.
Ob er auch manchmal Angst hatte vor den Auswirkungen der Wiedervereinigung auf sein ganz persönliches Leben? »Nein«, antwortet er einen Tick zu schnell, er hatte ja nie wirtschaftliche Not. Er habe auch Glück gehabt, aber er könne eben gut mit Menschen, das sei wichtig, ganz unabhängig von Regierungsformen. Er weiß, dass er sich nicht schämen muss für seine geschmeidige Westintegration, auch wenn sie vielen seiner ostdeutschen Landsleute so viel schwerer gefallen ist und manchen noch immer fällt. Aber konfliktbeladen sei diese Diskrepanz für ihn nach wie vor.
Noch mal genauer, gab es die Angst vor dem ganz persönlichen Machtverlust? Oder die Furcht vor der nachträglichen Anklage wegen seiner bedingungslosen Hingabe? Da entfleucht der Regisseur in eine Nebenhandlung. Das Leben sei nun mal nicht linear. »Heute denken sie, das kann nicht sein, dann hören sie die herausragende Rede eines
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