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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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neuen Position bestätigt wurde, mag der Moment gewesen sein, in dem sie die Vergangenheit anzunehmen begann. So klar kann sie das nicht sagen. Wie sie überhaupt bemüht ist, Abstand zu halten zu all den Ereignissen, die sie empfindlich berühren. Man muss in ihr Gesicht sehen, die Entspannung wahrnehmen, um einzuordnen, um wie vieles größer die Belastung der beruflichen Unsicherheit in den Monaten nach dem Ausscheiden gewesen sein muss, als sie mit abgeklärten Worten auszudrücken versucht.

    Politiker gewinnen und verlieren. Wie bei Sportlern ist es Teil des Geschäftes, des alltäglichen Bewusstseins. Im Wettkampf um Höhen, Weiten und Wählerstimmen ist die Niederlage zumindest theoretisch jederzeit faktoriert. Vermutlich liegt es an dieser antrainierten Möglichkeit des Scheiterns und auch an der Routine, dieses mit Kameras und Publikum zu teilen, dass Politiker und Sportler sich deutlich leichter tun, ihre Schwachstelle im Gespräch zu offenbaren und damit als Teil ihrer Existenz sichtbar zu machen. Andere öffentliche Persönlichkeiten, insbesondere Wirtschaftsmanager, auf die Präsentation von Erfolgen konditioniert, tun sich damit deutlich schwerer.

    Peter Kabel fällt es auch zehn Jahre nach der Insolvenz seiner Kabel New Media schwer, über sein ganz persönliches Scheitern zu sprechen. Er ist sympathisch aufgeschlossen, reflektiert den medienwirksamen Niedergang mit analytischer Präzision, doch die Anstrengung wird durch seine betonte Lässigkeit hindurch in jedem Moment spürbar.
    Wie ein Verkehrsunfall sei es gewesen, der ihn beide Beine gekostet hat, wählt er einen drastischen Vergleich, um den Wirkungsgrad zu illustrieren. Aber er habe überlebt, immerhin. Auch wenn es ihn quält, dass er zu schnell gefahren ist. Aber das Wetter, die Straßenbedingungen, darauf habe er keinen Einfluss gehabt.
    Am 29. Juni 2001 ist er zum Insolvenzgericht gegangen, gemeinsam mit seinem Hausjuristen und dem Finanzchef, der später wie er selbst im Mittelpunkt der Ermittlungen stand. Es war ein sommerlicher Vormittag, die Nacht davor kurz, alle Unterlagen mussten akribisch vorbereitet sein. Er hatte eine Vorstellung von der Instanz, die über die Zukunft seines Unternehmens entscheiden sollte, imposant, machtvoll. Und kam in ein »pippikleines Amtszimmer«. Ohne Geplänkel und ohne weitere Nachfragen wurde ein Überflieger von schlichter Formalität zurechtgestutzt. »Wir, die große Kabel New Media«, stockt er irgendwie entrückt und das verschluckte Satzende betont seine anhaltende Fassungslosigkeit.
    Sie gingen in das nächste Café und tranken eine Cola in der Sonne. »Das Café gibt es heute noch«, bemerkt er, so als sprächen wir über eine längst vergessene Zeit. »Wir hatten keine Ahnung, wie es weitergeht«.
    Der Firmenchef ist noch eine Weile jeden Morgen in sein verlassenes Büro gefahren, um alles zu ordnen und an einer Fortführung zu basteln, unter dem Schutz der Insolvenz. Drei Monate später war dann alles vorbei. Einmal mehr sei er Opfer der eigenen Unerfahrenheit geworden. Er habe geglaubt, der Insolvenzverwalter würde eine Lösung im Sinne des Unternehmens suchen. Dessen Lösung war die Auflösung. Und eine Klage gegen acht Personen aus der Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat.
    Woran sich Peter Kabel aus diesen Tagen am nachdrücklichsten erinnert, ist »diese gespenstische Ruhe«. Das Telefon war still, keine Mails gingen ein, »das totale Ende«.

    In der Betrachtung des Scheiterns wird häufig vergessen, dass die Faszination für den Außenstehenden ebenso wie die Härte des Aufpralls für den Fallenden aus der Fallhöhe entsteht. Die spektakuläre Niederlage braucht den vorausgegangenen Erfolgslauf.

    Tanja Gönner hat oft verloren in diesem leidigen Jahr 2011, das sie am liebsten vergessen mag. Die enorme Beachtung ihrer Niederlagen hat sie mit einen aufsehenerregenden Karriereweg selbst forciert. Mit neunundzwanzig Jahren im Bundesvorstand ihrer Partei, einige Jahre später als Ministerin jüngstes Mitglied im Bundesrat, mit dem Siegel »Vertraute der Kanzlerin« geadelt und als energiepolitische Vorkämpferin ihrer tradierten Landespartei, hatte sie sich lange schon vor Stuttgart 21 weit oberhalb des Wahrnehmungsradius etabliert.
    Ob ihre tragende Rolle rund um den Bahnhofsbau eher geschadet oder vielmehr zu ihrer Profilierung beigetragen hat? »Im Nachhinein betrachtet habe ich sicher an Bekanntheit gewonnen«, antwortet sie abwägend, »das fühlte sich zu dieser Zeit

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