Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)
abschließender Friedfertigkeit, beachte auch die ehemals umstrittenen Aktivitäten, die sich im Nachhinein als richtig herausgestellt haben.
Seine Telekom hat lange keinen rechten Umgang mit ihm gefunden. Zum zehnjährigen Jubiläum der Privatisierung wuss- te sein Nachfolger nicht, ob er den Wegbereiter einladen solle. Er rief Ron Sommer an, um sein Dilemma zu erklären. So recht könne er nicht einschätzen, ob es gut wäre, würde er da erscheinen. Aber er möchte sich auch nicht dafür erklären müssen, seinen Vorgänger nicht eingeladen zu haben. Ob er nicht einfach sagen könne, er sei verhindert? Ron Sommer neigt verständnislos den Kopf bei dieser Groteske, die er für eine Demonstration fehlenden Formats hält. Er ist hingegangen zur Feier, auch wenn er Feiern ansonsten lieber ausgelassen hat. Gerhard Schröder hat ihm gedankt für seinen Beitrag zu einer einzigartigen deutschen Unternehmensgeschichte. In der Rede seines Nachfolgers kam sein Name nicht vor.
Auch Ron Sommer nennt den Namen seines Nachfolgers nicht, vielleicht der höchste ihm mögliche Ausdruck von Verachtung. Ein Nachfolger, der das Falsche tut, ist schwer zu ertragen. Schwerer noch als einer, der alles richtig macht. Wobei natürlich auch eine gefeierte Neuausrichtung das eigene Ego berührt, bekennt er sich ehrlich zu einem zumeist verschwiegenen, zutiefst menschlichen Gefühl. An den Namen des abgerückten Aufsichtsratsvorsitzenden, der diesen Part so anders interpretierte, als er es jetzt tut, erinnert er sich erst nach einigem konzentrierten Nachdenken. Die Blackbox der Enttäuschungen ist verschlossen, wenn auch nicht allzu fest. Beschäftigt ist er mit der Telekom bis heute, aber der Versuchung, sich einzumischen, erliegt er nicht.
Seine Wortwahl ist ebenso engagiert wie seine Gestik, wenn er auf dem Pfad seiner ganz persönlichen Karriere die hiesige Managementkultur im Allgemeinen abwatscht. Er sei ein Polarisierer gewesen wie beinahe alle Entscheider. »Entscheidungskraft macht Gegnerschaft«, reimt er unerwartet schenkelklopferisch. Und: »Ein Nagel, der aus der Wand rausschaut, wird eben reingeklopft. Die meisten bevorzugen Mittelmaß und Risikolosigkeit. Bewegung macht Angst, fürs Nichtbewegen wird man in Deutschland nicht bestraft.« Er reiht nun Sätze aneinander, die beinahe alle Machthaber des Landes im Brustton der Überzeugung unterschreiben würden. Aber mächtig habe er sich nicht gefühlt. Eher verantwortungsbewusst. Spätestens seit ihm sein Vorgänger, als er Sony-Chef wurde, mit auf den Weg gab: »Von nun an wird man auf jedes Ihrer Worte achten.«
Dass jetzt vor allem die Handwerker auf seine Worte achten, stört ihn nicht. Er ist ausgelastet mit seinen Aufsichtsrats- und Beratungsmandaten. Und jetzt wäre er ohnehin zu alt für eine große Vorstandsaufgabe: »Meine Söhne wissen inzwischen so viel mehr als ich.« Erfolg ist nicht beliebig reproduzierbar. Insbesondere bei der enormen Veränderungsgeschwindigkeit dieser Tage. Der Glamour der Macht habe ihn ohnehin nie gereizt. »Und eine junge Freundin brauche ich auch nicht.«
Er ist dankbar für die verlässliche Lebenshilfe seiner Familie, vor allem seiner Frau, die ihm nach dem Telekom-Ausscheiden erst mal ein »Down-to-Earth-Programm« verordnet hat. U-Bahn sollte er fahren, nicht mehr auf seinen Fahrer warten, Koffer einchecken, statt über das Rollfeld zum Flieger gebracht zu werden. Er hat bestanden, wackelig zunächst, aber alles in allem leichter als gedacht. »Ich bin auch vorher schon mal in die U-Bahn umgestiegen, wenn mein Fahrer im Stau feststeckte«, frohlockt er zwinkernd über die seltenen Ausflüge in die ansonsten weiträumig abgeschottete Lebensrealität.
Sie sind gemeinsam für eine Zeit nach Amerika gegangen, um Abstand zu finden, er und seine Familie. Er hat den Pilotenschein gemacht, das war schon immer sein Traum. Aber er hat kein besonderes Talent zum Fliegen. Er versuchte, sein Golfhandicap zu verbessern, ohne den richtigen Schwung zu finden. Das sei die Zeit gewesen, in der er zu hadern begann, mit sich und der Welt. »Ein Unternehmen konnte ich nicht führen, nicht fliegen, nicht Golf spielen, da wurde ich übellaunig.«
Lange schon hat er seinen Frieden gemacht mit den missratenen Put-Versuchen. Er beschäftigt sich mit Kunst, vorzugsweise mit jungen russischen Malern. Und er wird den Hausbau vollenden.
Jetzt aber mahnt ihn seine Frau zum Aufbruch, die Verabredung in Düsseldorf wartet. Beim Verriegeln des Anwesens halten
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