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Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition)

Titel: Macht: Geschichten von Erfolg und Scheitern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Kraus
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die reputationsfördernde Geschichte, wenn es gutgeht, und Vorzeichen einer Kündigung im negativen Falle. An diese Form des Briefwechsels hat er sich mit der Zeit gewöhnt. Und auch an die Flüge in der Privatmaschine nach Sylt, wo er seinem Chef regelmäßig Rechenschaft ablegen sollte über waghalsige Recherchen oder konspirative Quellen.
    Der Medienmann kichert bei der Erinnerung an diese vertrauten Scharmützel mit dem Herausgeber. Aber er habe dessen Spiele nicht mitgespielt. »Meine Verantwortung für das Blatt war mir wichtiger als Taktik.« Vielleicht habe ihm auch das Gespür gefehlt für Irrationalitäten auf diesem Niveau. Unbedarft hat er einen Kommentar Augsteins nach hinten ins Feuilleton gestellt und einen anderen bevorzugt, den er für wichtiger hielt. Der finale Fauxpas und das Ende des erratischen Wohlwollens des Herausgebers, der diese Sache zum Anlass nahm, die fortgeschrittene Entfremdung – »wir waren etwas auseinandergelebt« – in eine schmuddelige Scheidung münden zu lassen.
    Über Wochen habe Augstein dann im Hintergrund eine Mehrheit für den Rauswurf organisiert, entsinnt sich Hans Werner Kilz der Dramaturgie seiner Entlassung. Selbst die Aufgabe aller Ämter drohte der den zaudernden Wahlmännern an, so sie nicht gefügig in seinem Sinne stimmten. Und dann sagte Hellmuth Karasek im Heute Journal , »›der Spiegel ohne Augstein ist wie die Katholische Kirche ohne den Papst‹«, amüsiert sich Kilz über diese redaktionsintern längst umstrittene Paraphrase. Er machte seinen Job unterdessen pflichtschuldig weiter, moderierte angeschlagen Konferenzen und schaute seinen Fellen beim Davonschwimmen zu. Spannende Tage seien das gewesen, voller Adrenalin und mit einem »ungeheuren Geist«. Das legendenreiche Spiegel -Haus brodelte, Streik stand in Rede, Unterschriftensammlungen kursierten. Er fand das irgendwie surreal, fühlte sich trotz allen Aufbäumens orientierungslos und entwurzelt.
    Hans Werner Kilz erzählt das alles ganz aufgeräumt, aber auch mit einer Intensität, die die Besonderheit dieser journalistischen Amour fou unübersehbar macht. Er würde heute nicht so darüber sprechen können, wenn es die Süddeutsche Zeitung nicht gegeben hätte, da gibt er sich keiner Illusion hin. Wenn er sich nicht als Chefredakteur der renommier- ten Tageszeitung eine erhebliche Reputation erarbeitet hätte. Über jeden Zweifel erhaben. Über die eigenen Zweifel erhoben.
    An einem Samstag im Fußballstadion bekam er die Nachricht, dass nun einer aus dem Entscheidungsgremium umgefallen sei, Augstein seine notwendige Mehrheit erzwungen hatte. Er hat das Spiel zu Ende geschaut, wie es ausgegangen ist, weiß er nicht mehr. Das passiert ihm selten. Aber dass er eine Menge Wut im Bauch hatte, das kann er originalgetreu abrufen. Wut auf seinen Förderer, über dessen Willkür, über diese schonungslose Machtdemonstration.
    Er ist direkt mit seiner Familie in den Urlaub nach Vermont gefahren, um Abstand zu gewinnen. Eine Menge Holz habe er gehackt, gegen den unverwüstlichen Zorn, gegen demütigende Schlagzeilen, »Kilz kaputt«, die nun ihm selbst galten. Und gegen die peinigende Frage: »Was soll jetzt noch kommen?« Er ist froh, dass er eine Antwort gefunden hat, denn er weiß, dass es auch anders hätte ausgehen können. »Wenn starke Männer fallen, kommen sie nicht mehr auf die Beine«, konterkariert er das strapazierte Bild unverwundbarer Manneskraft. Freunde haben ihm geholfen, eine Dozentenstelle in Harvard und vor allem Antje Vollmer, »der Engel der gestrauchelten Kerle«. Mit der geschätzten Ratgeberin hat er ein Buch geschrieben und viele Gespräche geführt. Auch, als der Spiegel viele Jahre später noch mal über einen Abgesandten anklopfte, um ihn zur Rückkehr zu bewegen. »Man geht nicht zurück, hat sie mir gesagt, und dass ich niemandem mehr etwas vorführen müsse.«
    Er sei ohnehin identischer gewesen mit der Süddeutschen Zeitung als mit dem Spiegel , das hat ihm auch seine Frau immer gesagt. »Stimmt schon«, nickt er und vertieft sich in den Dialog mit sich selbst. Aber er ist eben auch reifer gewesen, härter durch die rustikale Spiegel -Schule. Vielleicht hätte er sonst auch abgewunken, nachdem die Süddeutsche Redaktion zunächst gegen seine Nominierung aufbegehrte, »weil ein Spiegel -Mann nicht SZ-Chef werden könne«. Er hat sich dem Kampf gestellt, auch wenn es hart war, nach allem, was er erlebt hatte. »Wen das nicht berührt, der muss ein Zombie sein.«
    Hans

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