Macht Musik schlau?
In einer älteren Doktorarbeit der University Kansas hat der Doktorand Hedden fünf unterschiedliche Reaktionsprofile auf das Musikhören beschrieben, welche die unterschiedlichen Reaktionen auf passiv gehörte Musik beschreiben sollen (Hedden, 1971) 34 . Diese Reaktionen werden durch unterschiedliche Zugänge zur passiv gehörten Musik bestimmt. Folgende «Hörzugänge» schlug er vor (Näheres s. Kap. 6 ):
â Â Â Â assoziativ
â Â Â Â kognitiv
â    körperlich
â Â Â Â involviert
â Â Â Â emotional.
Hedden nahm an, dass Musikhörer entweder einen einzigen oder mehrere dieser Hörzugänge in Kombination verwenden können. Je nach gewähltem «Hörzugang» sollten dann auch die Einflüsse auf kognitive Leistungen unterschiedlich ausfallen. Es mag auch sein, dass der bevorzugte Hörzugang so etwas wie eine Persönlichkeitseigenschaft ist, die durch Erziehung und sozialen Hintergrund mitbestimmt wurde. Wichtig ist offenbar, dass Musik nicht bei jedem Menschen in gleicher Art und Weise wirkt.
Obwohl der Einfluss des passiven Musikhörens bei Erwachsenen eher ernüchternd ausfällt, zeigen sich immer wieder deutliche fördernde Effekte von Hintergrundmusik bei Kindern und bei Probanden mit intellektuellen Einschränkungen. So konnte z.B. gezeigt werden, dass Musikdarbietungen vor, während und nach dem Lernen durchaus Lern- und Gedächtnisleistungen bei kognitiv beeinträchtigten Probanden verbesserten. Diese fördernden Effekte waren bei unterschiedlichen Musikstücken (aus verschiedenen Genres) zu beobachten, unabhängig davon, ob die jeweilige Musik für die Lernenden unbekannt oder bekannt war.
5.3.3
Exkurs: Kontextabhängiges Gedächtnis
Es ist nicht so einfach wie es manche
Sirenengesänge
vermuten lassen. Einfach nur Musik hören, dann lernt man besser â so einfach ist es nicht. Unser Gedächtnis funktioniert in vielen Dingen viel subtiler, komplexer aber auch vielfältiger, als man sich dies im ersten Moment vorzustellen vermag. Wie funktioniert denn unser Gedächtnis? Unser Gedächtnis ist ein assoziativer Speicher. Das heiÃt, die gelernten Informationen werden gespeichert, indem Verbindungen zu anderen Informationen hergestellt werden. Wenn ein Schüler z.B. eine Vokabel lernt, dann wird er diese Vokabel mit anderen Informationen koppeln. Das können andere Vokabeln sein, die er zum gleichen Zeitpunkt lernt. Das mögen aber auch die gerade anliegenden Stimmungen sein, das Gesicht des Lehrers, die gefühlte Temperatur, der Anblick der anderen Schüler oder viele andere Ereignisse. Die Gedächtnisforschung hat bislang deutlich gemacht, dass die Erinnerungsstärke einer gespeicherten Information davon abhängt, wie viele andere Informationen mit der zu lernenden Information gekoppelt sind. Diese Form des Gedächtnisses wird gelegentlich auch als «kontextabhängiges Gedächtnis» (engl.:
context dependent memory
) bezeichnet(s. Abb. 41 ). Der berühmte Gedächtnispsychologe Alan Baddeley hat dies mit seinem Kollegen A. D. Godden (Godden und Baddeley, 1975) im Rahmen einer sehr eindrücklichen Studie nachgewiesen. Er lieà Taucher Wortlisten unter und über Wasser lernen. Die Ãberprüfung des Gelernten erfolgte entweder unter oder über Wasser. Hierbei zeigte sich, dass die Taucher, welche unter Wasser gelernt hatten, auch die besten Gedächtnisleistungen unter Wasser erbrachten. Ãber Wasser waren sie dagegen relativ schlecht. Umgekehrt erbrachten die Taucher, welche über Wasser gelernt hatten, auch über Wasser die besseren Leistungen. Die Botschaft ist recht einfach: Die Informationen, welche beim Lernen präsent sind, sind auch beim Abruf des Gelernten hilfreich. Beim Lernen unter Wasser sind andere Informationen präsent als über Wasser (z.B. Wasserdruck etc.). Diese lernspezifischen Informationen dienen dann als Hinweisreize (engl.:
cues
) beim Abruf. Man kann sich dies in etwa so vorstellen, dass jede Gedächtnisinformation mit anderen Informationen verbunden ist. Dadurch findet man durch die Hinweisreize einen Zugang zur gespeicherten Information. Diese Kontextabhängigkeit ist mittlerweile ein häufig untersuchtes und gut belegtes Phänomen. Das kontextabhängige Gedächtnis ist mittlerweile auch theoretisch sehr gut begründet und kann eine Vielzahl von
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