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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Gedächtnisphänomenen sehr gut vorhersagen und erklären.
    Abbildung 41 ist meines Erachtens sehr hilfreich, um die Arbeitsweise des kontextabhängigen Gedächtnisses zu beschreiben und zu verstehen (Haberlandt, 1997). Im Rahmen dieses Modells werden drei unterschiedliche Informationsquellen angenommen, welche das Gedächtnis ausmachen:
    1.   Hinweisreize (engl.:
cues
),
    2.   Repräsentationen der eigentlichen Informationen und
    3.   Kontextinformationen.
    Man nennt diese Kombination von drei Informationsquellen auch Abrufstruktur (engl.:
retrieval structure
) und manchmal auch Gedächtnisstruktur. Füllen wir dieses Modell nun einmal mit Leben. Mit dem Begriff «Repräsentation der eigentlichen Information» sind die Kerninformationen gemeint, die man lernen möchte. Ich habe oben das Beispiel des Vokabellernens angeführt. Hier würde das Lernen von Vokabeln zu einer ganz bestimmten Repräsentation in unserem Gedächtnisführen. Wir verwenden den Begriff Repräsentation, um darauf hinzuweisen, dass diese Information in unserem Gedächtnis repräsentiert (materialisiert) ist. Um diese Repräsentation von den anderen Repräsentationen abzugrenzen, nennen wir diese Repräsentation auch «Kernrepräsentation». Aber jede andere Information hat auch ihre eigene Repräsentation. Bleiben wir aber bei dem anschaulichen Beispiel des Vokabellernens. Jede einzelne Vokabel, die ein Schulkind lernt, hat eine eigene Repräsentation (also eine eigene Kernrepräsentation). Wenn jetzt zehn Vokabeln innerhalb einer Unterrichtseinheit gelernt werden, dann haben diese zehn Vokabeln und die jeweiligen Repräsentationen Bezug zueinander. Dieses Phänomen ist gerade beim Vokabellernen sehr eindrücklich, können wir doch sehr gut die Vokabeln, die zu einer Lektion gehören, im Gedächtnis behalten. Das hat zur Folge, dass wir jede dieser zehn Vokabeln besser abrufen können, wenn auch die anderen neun abgefragt werden. Dies ist der Fall, wenn der Lehrer alle Vokabelnim Rahmen einer Klassenarbeit über diese spezifische Lektion prüft. Wird jedoch eine bestimmte Vokabel dieses Vokabelsatzes unabhängig von den anderen Vokabeln abgefragt, so erinnern wir uns viel schlechter an diese eine Vokabel. Dies hängt damit zusammen, dass die Repräsentationen der zehn Vokabeln miteinander assoziiert sind. Das bedeutet, dass beim Abruf einer Vokabel auch die anderen neun mehr oder weniger stark aktiviert werden. Vielleicht kann man sich das sehr gut wie ein Netz vorstellen. Wenn ein Knoten dieses Netzes aktiviert wird (also eine Repräsentation), dann breitet sich die Aktivität von diesem Knoten auf die anderen aus. Nicht nur die Kerninformationen sind miteinander assoziiert, sondern auch Hinweisinformationen bzw. Hinweisreize (
cues
). Dies sind Informationen, die während des Lernens mehr oder weniger zufällig präsent sind. Typische Hinweisreize können z.B. der Wasserdruck (wie bei dem Taucherexperiment von Godden und Baddeley), die Temperatur, Tages- und Nachtzeit, Geräusche, Farben, Menschen, Ort oder eben Musik sein. Es mag sein, dass jede Repräsentation einer Einzelinformation oder einer Gruppe von Informationen (z.B. alle Vokabeln meiner Lernliste) mit einem oder mehreren Hinweisreizen gekoppelt sind. So könnte es z.B. sein, dass die gelernte Information mit einem bestimmten Musikstück oder mit Musik eines bestimmten Musikgenres gekoppelt ist. Jedes Mal, wenn die spezielle Musik gehört wird, würden dann die eigentlichen Kerninformationen mit aktiviert und damit besser im Gedächtnis behalten. In diesem Zusammenhang sind auch Verallgemeinerungsphänomene bekannt. Hiermit ist gemeint, dass bestimmte Hinweisreize mit bestimmten Informationen gekoppelt sind, dass aber ähnliche Hinweisreize mit der Zeit ähnlich gut mit den Kerninformationen gekoppelt sind. Ein gutes Beispiel entdecke ich gelegentlich bei mir. Ich habe Latein im Rahmen meiner Gymnasialzeit gelernt. Das Gymnasium 35 war ein altehrwürdiges Gebäude aus der Gründerzeit mit großen Säulen, hohen Räumen und Stuck an der Decke. Immer, wenn ich in ähnlichen Schulgebäuden verweile, fallen mir spontan lateinische Sprichwörter ein. Aber, was vielleicht viel interessanter ist, ich habe immer ein merkwürdig sentimentales Gefühl, wenn ich mich in solchen Gebäuden befinde. Damit komme ich zur dritten

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