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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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einen eher distanzierten, intellektuellen Zugang) erzwinge. Es lassen sich jedoch Zusammenhänge zwischen den Hörzugängen und Hörmotiven vermuten. Personen, die sich beispielsweise mittels Musik an bestimmte Ereignisse in der Vergangenheit erinnern wollen, werden dazu tendieren, eher Oldies anzuhören. Dabei werden sie vor allem «assoziativ hören», während diejenigen Personen, die zum Beispiel körpermotorisch aktiv werden wollen (z.B. um zu tanzen), wohl primär «motorisch-reflexiv» hören werden. Wenn eine Person sich eher träge und müde fühlt und diesem Zustand entgegenwirken will, sollte motorisch-reflexives Hören förderlicher zur Erreichung dieses Ziels sein als ein «diffuses Hören».
    Die Art des Musikhörens und die damit verbundenen emotionalen Reaktionen unterliegen auch zeitlichen Schwankungen. Die kleinste bislanguntersuchte zeitliche Einheit ist der Tagesablauf. Es ist bekannt (und von jedem leicht nachvollziehbar), dass morgens eher Musik gewählt wird, welche als Muntermacher wirkt, wobei während der Arbeit Musik gewählt wird, welche zur Arbeitserleichterung dient. Nach der Arbeit steht eher Entspannung und die dafür notwendige Musik auf dem «Programm». Über die Woche hinweg sind auch unterschiedliche Hörgewohnheiten auffällig, wobei am Wochenende eher Entspannung oder Aktivierung (je nach Gewohnheitslage) bevorzugt wird. Der Wochenanfang hat eher den Charakter des Tagesanfangs und «benötigt» Muntermacher zur Motivation für die bevorstehende Woche. Auch jahreszeitliche Schwankungen sind bekannt. Im Herbst und Winter wird eher besinnliche Musik bevorzugt, die auch die sentimental-assoziative Hörgewohnheit fordert. Man denkt über das zurückliegende Jahr, über sein Leben oder wichtige Lebensereignisse nach. Dies kann durch entsprechende Musik unterstützt werden. Natürlich sind diese zeitlichen Schwankungen insbesondere den Radiostationen und den verantwortlichen Musikredakteuren bestens bekannt. Mittlerweile existieren sogar ausgeklügelte Softwaretools, mit denen diesen zeitlichen Schwankungen entsprechend Musikstücke ausgewählt werden. Gerade die kommerziellen Radiosender (aber auch viele öffentlich-rechtliche) versuchen so den «durchschnittlichen» Musikgeschmack für ihr spezifisches Publikum «punktgenau» vorherzusagen und die entsprechenden Musikstücke anzubieten.
    Es sind auch lebenszeitliche Schwankungen ausgemacht worden. Für die Häufigkeit des Musikkonsums wird eine Anstiegsphase im Alter von 10–13 Jahren angenommen, in der der Heranwachsende immer mehr Musik konsumiert und sich sein Interesse für die Musik stark entwickelt. Dieser Phase folgt die Plateauphase, die ungefähr bis zum 20. und 25. Lebensjahr andauert. In dieser Zeit stabilisiert sich der Musikkonsum, während sich jenseits des 25. Lebensjahrs eine Abnahme des Musikkonsums feststellen lässt. Diese Phase wird als Abstiegsphase bezeichnet. Diese lebenszeitlichen Schwankungen sind für verschiedene Generationen durchaus unterschiedlich und hängen vom Karrierestand und der aktuellen beruflichen Belastung ab. So kann die Plateauphase bei Studenten, die bis zum 30. Lebensjahr studieren, durchaus länger dauern.
    Interessant ist auch, dass sich die Hörgewohnheiten offenbar bei Jugendlichen in den letzten 16 Jahren erheblich verändert haben. Bei Jugendlichen soll das so genannte «diffuse Hören» zugenommen haben, während andererseits das «kompensatorische Hören» abgenommen habe (s. Abb. 48 ). Letztlich muss darauf hingewiesen werden, dass der Hörzugangzu bestimmter Musik aber auch zu Musik im Allgemeinen einem historischen und gesellschaftlich-kulturellen Wandel unterliegt, was sehr schön anhand der «klassischen» Musik abgelesen werden kann. Als Beispiel könnte hier die Oper «Die Hochzeit des Figaro» dienen, welche im Allgemeinen der Musikgattung «opera buffa» (komische Oper) zugerechnet wird. Opern dieser Gattung zeichnen sich dadurch aus, dass sie als heitere und abendfüllende bürgerliche Opern konzipiert wurden, deren wesentliches Ziel die Unterhaltung der Zuschauer war. In gewisser Weise erfüllten diese Opern den gleichen Zweck wie heutzutage Unterhaltungssendungen im Fernsehen. Wahrscheinlich wurden diese Opern mindestens bis Ende des 18. Jahrhunderts eher emotional und emphatisch wahrgenommen und nicht

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