Macht Musik schlau?
kurzes Flimmern wahrgenommen. Während dieser Präsentationen hat Paul Whalen die Hirnaktivität mittels der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) gemessen und konnte etwas damals Sensationelles feststellen. Nur bei der maskierten Darbietung der Furcht darstellenden Gesichtsbilder nahm die Durchblutung in der Amygdala zu. Die Amygdala ist ein entwicklungsgeschichtlich recht altes Hirngebiet, das insbesondere bei der Verarbeitung von emotionalen Reizen eine Rolle spielt. Eine wichtige Funktion der Amygdala ist, die emotionalen Reize zu bewerten und ggfs. auch unbewusst und automatisch emotionale Reaktionen auszulösen. Zu den von dieser Hirnstruktur ausgelösten Reaktionen gehören vegetative Reaktionen (Zunahme der Herzschlagaktivität, der Durchblutung und der SchweiÃdrüsenaktivität) aber auch komplexe Verhaltensweisen (z.B. Fluchtverhalten). Die Amygdala wird in der Regel eher bei unangenehmen emotionalen Reizen oder bei emotionalen Reizen mit hoher Intensität besonders aktiv. Das Wichtige dieses Versuchsergebnisses ist der Befund, dass unser Gehirn emotionale Verarbeitungen durchführt, ohne dass wir uns dessen gewahr werden. Wahrscheinlich werden viele emotionale Reize quasi «unterschwellig» von unserem Gehirn verarbeitet und hinterlassen im Gehirn «Spuren», indem sie andere Hirnstrukturen beeinflussen, die in die Verarbeitung anderer Prozesse eingebunden sind. Einen ähnlichen Mechanismus könnte ich mir sehr gut auch für die «unterschwellige» Verarbeitung von Musik vorstellen, selbst dann wenn wir einen «diffusen» Hörzugang zur Musik haben.
Wie aus den obigen Ausführungen ersichtlich wird, hat die moderne kognitive Neurowissenschaft mit ihrem neuen Methodeninventar (funktionelle Magnetresonanztomographie: fMRT, Positronenemissionstomographie: PET, Elektroenzephalographie: EEG, Magnetenzephalographie MEG) viele Möglichkeiten geschaffen, um die Hirnaktivitäten während psychischer Tätigkeiten zu analysieren. Diese Methoden werden zunehmend auch für die Erforschung der Hirntätigkeiten beim Hören und Produzieren von Musik eingesetzt. Ich werde den Befunden, die mit diesen Methoden erzielt worden sind, ein eigenes Kapitel ( Kap. 7 ) widmen. Im vorliegenden Abschnitt möchte ich mich auf die von durch Musik hervorgerufenen Emotionen und deren Verarbeitung im Hirn konzentrieren.
Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass beim Hören von emotionaler Musik das limbische System 40 besonders stark aktiviert ist. Die Aktivierung kann mittels unterschiedlicher Methoden gemessen werden. Bei der PET- und fMRT-Methode werden so genannte «hämodynamische Reaktionen» gemessen. Das heiÃt man misst die Veränderung der Durchblutung in bestimmten Hirngebieten. Nimmt die Durchblutung zu, spricht man in der Fachsprache von «Aktivierung», nimmt sie ab, spricht man entsprechend von «Deaktivierung». Eine andere Methodengruppe misst die elektrische (EEG) oder magnetische Aktivität (MEG) über dem Schädel und schätzt anhand komplexer mathematischer Methoden die im Gehirn verborgenen «Quellen» dieser elektrischen und magnetischen Felder. Mittels dieser Methoden konnte grundsätzlich gezeigt werden, dass beim Hören von emotionaler Musik 41 immer das limbische System aktiviert ist. Dieses System ist schon seit langem als wichtige Ansammlung von Hirnstrukturen bekannt, die für Verarbeitung von emotionalen Informationen jeder Art wichtig sind.
Im Rahmen einer neuen PET-Studie konnte gezeigt werden, dass die Aktivierungen (Durchblutungszunahmen) in diesen Hirngebieten auch zunahmen, wenn die Versuchspersonen völlig unbekannte Musik hörten (Brown, Martinez und Parsons, 2004). Hauptsache sie gefällt ihnen. Drei Jahre zuvor haben die kanadischen Neuropsychologen Anne Blood und Robert Zatorre sich des «Gänsehautgefühls» (engl.:
chills
oder
shivering down the spine
) beim Hören besonders angenehmer Musik angenommen (Blood und Zatorre, 2001). Für diese PET-Studie wurden zehn Versuchspersonen mit etwas Musikerfahrung ausgewählt, die angaben, beim Hören bestimmter Musik ein «Gänsehautgefühl» zu empfinden. Aus diesen Musikstücken (ausnahmslos klassische Musikstücke) wurden jene Passagen ausgewählt, die besonders geeignet sind, um dieses Gefühl hervorzurufen. Interessant war, dass sich die zehn Versuchspersonen im Hinblick auf die Wahl der
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