Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
Vom Netzwerk:
distanziert, intellektuell und analysierend. Heutzutage ist dies anders, zumal Opern von den meisten Menschen generell als «ernste Musik» aufgefasst werden und nicht der Unterhaltungsmusik zugerechnet werden. Aufgrund dieser Einordnung dürfte «Die Hochzeit des Figaro» von vielen Menschen (wenn nicht gar von den meisten) als «ernst» wahrgenommen werden, obwohl sie alles andere als «ernst» ist.

    Abbildung 48: Veränderung der Hörgewohnheiten im Zeitverlauf über sieben Befragungen hinweg. Die Befragungen fanden im Zeitraum von 1991 bis 1997 statt. Insgesamt wurden 150 Jugendliche befragt. Dargestellt sind die Ergebnisse bezüglich dreier Hörgewohnheiten: «kompensatorisches Hören», «konzentriertes Hören» und «diffuses Hören» (nach Behne 2001).
    6.4
    Hirnaktivität und emotionale Musik
    Ich habe bereits angedeutet, dass man sehr genau darauf achten muss, ob die Versuchspersonen Musik verbal bewerten oder ob sie wirklich emotionale Reaktionen erleben. Bewertung und Erleben (man könnte auch Fühlen sagen) verlaufen wie oben dargestellt, nicht immer gleichsinnig. Wie bereits erwähnt, ist dieses Phänomen schon seit langem in der Emotionspsychologie bekannt, konnte aber bislang nicht erschöpfend erklärt werden. Der Grund dafür sind wahrscheinlich viele unbewusste Prozesse, die bei emotionalen Empfindungen auftreten können. Manchmal sind wir uns auch gar nicht bewusst, dass bei uns ein bestimmter emotionaler Zustand ausgelöst wurde. Obwohl uns dieser emotionale Zustand nicht bewusst ist, «treibt» er unser Verhalten. Bei Tieren können wir häufig erkennen, dass schon kleine emotionale Veränderungen auch Verhaltensänderungen auslösen. Ein schönes Beispiel ist das Appetenzverhalten. Als Appetenzverhalten gilt im Rahmen der Instinkttheorie der klassischen vergleichenden Verhaltensforschung ein Such- und Orientierungsverhalten, das dann auftritt, wenn eine Instinkthandlung längere Zeit nicht ausgelöst wird, wohl aber die aktionsspezifische Erregung kontinuierlich anwächst, oder anders formuliert: wenn die Handlungsbereitschaft für die betreffende Instinktbewegung vorhanden ist. Unterschieden werden ungerichtetes Appetenzverhalten und gerichtetes Appetenzverhalten. Beim ungerichteten Appetenzverhalten wird aktiv nach einem bestimmten Schlüsselreiz gesucht; wird er wahrgenommen, löst er das gerichtete Appetenzverhalten aus. Folgendes Beispiel macht dieses Phänomen verständlicher: Nehmen wir einmal an, ein Fuchs verspürt Hunger (eine Emotion). Diese Emotion treibt unbewusst und nicht willentlich die Handlungsbereitschaft für die Jagd an. Der Fuchs begibt sich auf die Suche nach Beute (ungerichtete Appetenz). Trifft er auf ein Beutetier, schleicht er sich gezielt an und hetzt dieses Beutetier (gerichtete Appetenz) bis zur aktionsspezifischen Endhandlung (dem Tötungsbiss). Obwohl die Übertragbarkeit dieses Konzeptes auf das menschliche Verhalten nicht unproblematisch ist, kann es dennoch sehr nützlich sein. Wenn wir Hunger empfinden, dann wird bei uns mit großer Wahrscheinlichkeit auch so etwas wie ein ungerichtetes Appetenzverhalten ausgelöst. Unbewusst schleichen wir um Bäckereien oder finden uns auf einmal in einem Fastfood-Restaurant wieder. Kaufen Sie einmal im Supermarktein, wenn Sie Hunger haben, dann werden Sie feststellen, dass Sie mehr im Einkaufswagen finden, als Sie vorher geplant haben.
    Ich möchte an dieser Stelle nicht die Verhaltensforschung erklären, mein Ziel ist vielmehr zu demonstrieren, dass Emotionen auch beim Menschen unbewusst wirksam werden können. Dass unbewusste emotionale Reize Aktivitäten in bestimmten Hirngebieten auslösen können, konnte 1998 von dem amerikanischen Psychologen Paul Whalen und seinen Kollegen eindrücklich belegt werden (Whalen et al., 1998). Sie präsentierten ihren Versuchspersonen 33 Millisekunden lang Bilder von lachenden und Furcht ausdrückenden Gesichtern. Unmittelbar nach dieser kurzen Präsentation sahen die Versuchspersonen noch einen Maskierungsreiz, der aus einem «Zufallsfeld» von weißen und grauen Punkten bestand. Das Resultat dieser Darbietungstechnik war, dass die Versuchspersonen überhaupt nicht gemerkt hatten, dass ihnen Gesichter präsentiert wurden, geschweige denn lachende oder Furcht ausdrückende Gesichter. Sie waren der Meinung, sie hätten bestenfalls nur ein

Weitere Kostenlose Bücher