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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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bildgebenden Verfahren haben sich ganz andere Möglichkeiten zur Untersuchung des menschlichen Gehirns ergeben. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass das Interesse an dem Zusammenhang zwischen Musik und Gehirn wieder neu entflammt ist. Man erkennt dieses Interesse an der Vielzahl wissenschaftlicher Arbeiten, die in den letzten 20 Jahren zum Thema Musik und Gehirn in den wichtigsten wissenschaftlichen Zeitschriften publiziert worden sind (s. Abb. 51 ).

    Abbildung 50: Schädelposition, unter der gemäß der Phrenologie das menschliche Musikverarbeitungszentrum liegen soll.
    In einzelnen Kapiteln dieses Buches bin ich bereits auf hirnanatomische und hirnphysiologische Befunde eingegangen. An dieser Stelle erlaube ich mir, etwas allgemeiner auf die Hirngebiete einzugehen, die mit der Wahrnehmung, der Produktion und dem Lernen von Musik verbunden sind. Wenn wir Musik hören, ist unser Gehirn in eine schnelle Abfolge von Serien-Parallel-Wandlungen 44 eingebunden. Diese Abfolge von Analyseprozessen findet quasi von unten nach oben, also von niedrigen Analyseebenen zu höheren statt. Wir nennen dieses Verarbeitungsprinzip in der Fachsprache der kognitiven Psychologie eine
Bottom-Up-Analyse
. Im Rahmen dieser Analyse werden die nacheinander auf das Ohr treffenden akustischen Signale mehr oder weniger nacheinander hinsichtlich unterschiedlicher Merkmale analysiert, wobei aufjeder Ebene die Entschlüsselung ganz bestimmter akustischer Merkmale erfolgt. Elektroenzephalographische und magnetenzephalographische Techniken erlauben eine präzise zeitliche Charakterisierung dieser Analysen (Koelsch und Siebel, 2005). Als Grundlage dienen hier Experimente, in denen den Versuchspersonen einfache Töne und/oder Klänge präsentiert wurden. Nur solch einfache und recht gut zu kontrollierende Reize erlauben eine präzise chronometrische Analyse der verschiedenen Verarbeitungsstufen.

    Abbildung 51: Anzahl der Publikationen in wissenschaftlichen Zeitschriften, die sich im Zeitraum zwischen 1980 und 2007 mit dem Zusammenhang zwischen der Anatomie und Funktion des menschlichen Gehirns und der Musik auseinandergesetzt haben. Die Daten wurden durch eine PubMed-Suche mit den Stichwörtern «music AND brain» erhoben.
    In den ersten 10 bis 100 Millisekunden nach der Tonpräsentation werden quasi auf der ersten Ebene die elementaren akustischen Muster (Tonhöhe, Klangfarbe, Intensität, etc.) analysiert. Bereits auf der nächsten Verarbeitungsstufe, etwa 100 bis 200 Millisekunden nach der Reizpräsentation, werden erste Melodien erschlossen, was eine Integration der Einzelinformationen und der daraus gewonnenen Informationen erfordert. Gleichzeitig werden diese Melodien in einem eigenen Gedächtnisspeicher – dem auditorisch-sensorischen Gedächtnis – abgelegt. Eventuell zeitgleich oder leicht verzögert werden dann Tonintervalle, Klänge und komplexere Melodien analysiert. Rund 180 bis 400Millisekunden später erfolgt dann die Analyse von Harmonie und Rhythmus und eine vertiefende Analyse der Klangfarbe. Etwas später, so um 600 bis 900 Millisekunden nach der Tonpräsentation, werden rhythmische und/oder melodische Fehler erkannt und eventuell Korrekturen und weitergehende Analyseprozesse ausgelöst. Wahrscheinlich werden bereits auf den ersten Analysestufen so um 100 Millisekunden nach der Reizpräsentation Querverbindungen zum semantischen Gedächtnis und zu den emotionsverarbeitenden Zentren gezogen. Die wichtigsten und nachhaltigsten semantischen und emotionalen Verarbeitungen scheinen allerdings eher noch etwas später, so um 200 bis 300 Millisekunden, «angestoßen» zu werden. Im Grunde ist diese doch schnelle Aufeinanderfolge von Analyseprozessen sehr bemerkenswert, denn innerhalb von weniger als einer halben Sekunde werden schon komplexe Informationen aus dem Musikreiz gewonnen.
    Auf jeder Verarbeitungsstufe bestehen schnelle Verbindungen zu motorischen Modulen. Selbst auf der ersten Analyseebene können motorische Reaktionen ausgelöst werden (also ca. 100 Millisekunden nach der Tonpräsentation). Komplexere Musikreize brauchen etwas länger, um motorische Reaktionen auszulösen (bis 300 Millisekunden nach der Ton- und Klangpräsentation). Viele dieser Analysen sind quasi bei allen Menschen in mehr oder weniger gleicher Art und Weise anzutreffen, aber letztlich können auf allen Ebenen Erfahrungen einen erheblichen Einfluss ausüben. Als

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