Macht Musik schlau?
rechtsseitig lokalisierten Hirngebieten verarbeitet wird, während die Spezialzentren für die Sprachwahrnehmung eher linksseitig lokalisiert seien. In Wirklichkeit verhält es sich etwas komplizierter. Die beiden Neuropsychologen David Poeppel und Robert Zatorre haben mehr oder weniger unabhängig voneinander darauf hingewiesen, dass der rechte und linke Hörkortex aufgrund ihrer Anatomie bestimmte akustische Reize unterschiedlich gut verarbeiten (Zatorre, 1998; Hickok und Poeppel, 2007). So ist der linksseitige Hörkortex eher für die Analyse schnell aufeinanderfolgender Reizmuster spezialisiert, während der rechtsseitige Hörkortex Spezialist für die Verarbeitung von Frequenzinformationen ist (z.B. Tonhöhen). Mit anderen Worten: Links werdenvermehrt Zeit- und rechts vermehrt Frequenzinformationen verarbeitet. Wenn wir Sprache wahrnehmen, müssen wir Sprachlaute und Vokale erkennen. Gerade Sprachlaute wie Konsonanten oder Ãbergänge zwischen verschiedenen Sprachlauten kann der Hörkortex nur dann gut erkennen, wenn er feine zeitliche Unterschiede des Lautstroms erkennt. Die Stimmeinsatzzeit ist ein typisches Beispiel für ein zeitkritisches akustisches Sprachmerkmal. Dieses Merkmal ist durch die Zeit vom Beginn der Artikulation bis zum Beginn der Stimmlippenschwingung definiert. Wenn wir z.B. die Silbe /ta/ aussprechen, ist die Stimmeinsatzzeit durch die Zeit vom Beginn der akustischen Ereignisse im Zusammenhang mit der Artikulation des /t/ und dem Beginn der Stimmlippenschwingung (Beginn des /a/) gekennzeichnet. Die Analyse der Stimmeinsatzzeit wird vorwiegend vom linksseitigen Hörkortex durchgeführt (Jäncke, Wüstenberg, Scheich und Heinze, 2002). Vokale sind dagegen relativ langsame akustische Ereignisse, deren Wahrnehmung im Wesentlichen von der korrekten Frequenzanalyse abhängen.
Tabelle 3: Detaillierte Darstellung der an der Wahrnehmung und Produktion von Musik beteiligten Hirnstrukturen
Nr.
Hirngebiet
Hauptfunktion
1
auditorischer Kortex
(lateraler Heschlâscher Gyrus)
Tonhöhe
Lautstärke
1
auditorischer Kortex
(mesialer Heschlâscher Gyrus)
Tonhöhe
Lautstärke
1
auditorischer Kortex
(Planum temporale)
Klangfarbe
Tonintervalle einfache Melodien Akkorde Rhythmen
1
auditorischer Kortex
(Planum polare)
Tonhöhen
auditorische Aufmerksamkeit
1
auditorischer Kortex
(Gyrus temporalis superior)
komplexere Melodien
rhythmische Muster
1
auditorischer Kortex
(Sulcus temporalis superior)
komplexere Melodien
rhythmische Muster
2
sensomotorisches Handareal
(Gyrus präcentralis, M1)
(Gyrus postcentralis, S1)
sensomotorische Kontrolle der Hand und Finger (Klopfen, Tappen, Musikinstrumente spielen)
3
sensomotorisches Gesichtsareal
(Gyrus präcentralis, M1)
(Gyrus postcentralis, S1)
sensomotorische Kontrolle des Gesichts inkl. des Mundes
(Singen, Sprechen, Murmeln etc.)
4
Prämotorkortex
(dorsaler Teil des Prämotorkortex)
Planung und Lernen von komplexen Handlungen (z. B. Klopfen, Musikinstrumente spielen, Tanzen)
5
Prämotorkortex
(ventraler Teil des Prämotorkortex)
Planung und Lernen von komplexen Handlungen; stärker an der mentalen Simulation von Bewegungen
(z. B. Klopfen, Musikinstrumente spielen, Tanzen) beteiligt
5
in der linken Hemisphäre motorisches Sprachareal
nach Broca
beteiligt an der motorischen Kontrolle des Sprechens; auch Kontrolle von Grammatik, Syntax
5
unterer Teil des Frontalkortex
Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis etc. (Lernen und Erinnern von Musikstücken, Erkennen von Musikregeln, konzentriertes Spielen eines Musikinstrumentes, konzentriertes Zuhören)
6
unterer Teil des Frontalkortex
semantisches Gedächtnis (links), emotionales Gedächtnis (rechts) (Erinnern und Lernen des Zusammenhangs zwischen Musik und vielen anderen Inhalten)
7
Orbitofrontalkortex
Anbinden von Emotionen an gelernte Inhalte
(Anbinden der Musik an Emotionen)
8
unterer Teil des Scheitellappens
(Gyrus supramarginalis)
Ton- und Melodiegedächtnis
9
unterer Teil des Scheitellappens
(Gyrus angularis)
Körpergedächtnis
(wichtig beim Tanzen und Spielen von Instrumenten)
10
Extrastriäre Gebiete
(visueller Kortex)
Verarbeiten und Vorstellen komplexer visueller Muster
(Vorstellen von visuellen Wahrnehmungen, Lesen der Partitur)
11
dorsaler Informationsweg
des visuellen Systems
Anbinden visueller Informationen an die Motorik; Raumorientierung
(immer aktiv beim Betätigen von Instrumenten; auch beim
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