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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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verwendet, kaum den emotionalen Gehalt der Musik kontrolliert und insbesondere auch nicht den Hörzugang der Versuchspersonen thematisiert geschweige denn kontrolliert haben. Daher ist die Generalisierbarkeit dieser Befunde auf andere Musikstücke erheblich eingeschränkt.
    In einigen neueren EEG-Studien wurden auch andere Musikstücke (zum Teil modernere) verwendet. In einer Arbeit konnte demonstriert werden, dass beim Hören insbesondere angenehmer Musik vor allem im Stirnhirn vermehrt Aktivität im Theta-Band auftritt (Sammler, Grigutsch, Fritz und Koelsch, 2007). Dies korrespondiert sehr gut mit der bereits in Abschnitt 5.3.4 erwähnten Arbeit von Peterson und Thaut, die zeigen konnten, dass beim Hören gesungener Worte im Stirnhirn die Theta-Band-Aktivität zunahm (Peterson und Thaut, 2007). Allerdings sind auch die anderen Frequenzbänder stärker aktiv. Möglicherweise weisen diese Befunde darauf hin, dass während des Hörens von angenehmer Musik oder gesungenen Wörtern der Frontalkortex in einem Erregungszustand ist, der eigentlich für das Speichern und Abrufen von Informationen optimal ist. Eine andere Arbeit hat zeigen können, dass insbesondere bei angenehmer Musik die Alpha-Band-Aktivität im Stirnhirn, aberauch in anderen Hirngebieten stark ausgeprägt ist (Baumgartner et al., 2006). Dies könnte darauf hinweisen, dass in einem Zustand entspannter Aufmerksamkeit semantische Gedächtnisinformationen aktiviert werden.
    Abschließend bleibt festzuhalten, dass während des Musikhörens weite Teile des Gehirns im Sinne eines Netzwerkes aktiviert werden. Es besteht also die Möglichkeit, dass man mit musikalischen Reizen eine räumlich ausgedehnte Hirnaktivierung erreichen kann. Wichtige, bislang kaum untersuchte Einflussgrößen auf diese Netzwerkaktivierung sind der jeweilige «Hörzugang» zur präsentierten Musik, die dabei ausgelösten Emotionen, die musikalischen Vorlieben und insbesondere auch der Trainingszustand der Versuchspersonen im Hinblick auf unterschiedliche Musikaspekte. Insofern können diese Untersuchungen noch nicht zweifelsfrei belegen, dass Musik und insbesondere Mozart-Musik (meistens wird ja über die «geheimnisvolle» Wirkung von Mozart-Sonaten, Mozart-Musik im Allgemeinen oder der Barockmusik spekuliert) einen besonders günstigen Einfluss auf die Hirnaktivierung hätte, welche für weitere Lernprozesse fördern würde. Dazu müssen weitere Untersuchungen mit besserer Kontrolle der oben erwähnten Aspekte durchgeführt werden.
    7.1
    Zusammenfassung
    â–     Bei der Musikwahrnehmung durchlaufen die einzelnen Musikreize auf verschiedenen Ebenen eine schnelle Abfolge von Verarbeitungen. Bereits in den ersten 100 Millisekunden nach der Reizpräsentation werden elementare Aspekte der Musikreize verarbeitet (Tonhöhe, Klangfarbe, Intensität, etc.).
    â–     Bereits auf der nächsten Verarbeitungsstufe, etwa 100 bis 200 Millisekunden nach der Reizpräsentation, werden erste Melodien erschlossen, was eine Integration der Einzelinformationen und der daraus gewonnenen Gesamtinformation erfordert. Gleichzeitig werden diese Melodien in einem eigenen Gedächtnisspeicher – dem auditorischsensorischen Gedächtnis – abgelegt.
    â–     Eventuell zeitgleich oder leicht verzögert, werden dann Tonintervalle, Klänge und komplexere Melodien analysiert. Rund 180 bis 400 Millisekundenspäter erfolgt dann die Analyse von Harmonie und Takt und eine vertiefende Analyse der Klangfarbe.
    â–     Etwas später, so um 600 bis 900 Millisekunden nach der Tonpräsentation, werden rhythmische und/oder melodische Fehler erkannt und eventuell Korrekturen und weitergehende Analyseprozesse ausgelöst.
    â–     Wahrscheinlich werden bereits auf den ersten Analysenstufen so um 100 Millisekunden nach der Reizpräsentation Querverbindungen zum semantischen Gedächtnis und zu den emotionsverarbeitenden Zentren gezogen.
    â–     Die wichtigsten und nachhaltigsten semantischen und emotionalen Verarbeitungen scheinen allerdings eher noch etwas später, so um 200 bis 300 Millisekunden, «angestoßen» zu werden. Im Grunde ist diese doch schnelle Aufeinanderfolge von Analyseprozessen sehr bemerkenswert, denn innerhalb von weniger als einer halben Sekunde werden schon komplexe Informationen aus dem Musikreiz gewonnen.
    â– 

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