Macht Musik schlau?
   Auf jeder Verarbeitungsstufe bestehen Querverbindungen zu motorischen Modulen.
â    Für die Wahrnehmung von Musik sind viele Hirngebiete verantwortlich (s. Tab. 3 ). Interessant ist, dass diese Hirngebiete nicht ausschlieÃlich an der Verarbeitung von Musik, sondern auch an vielen anderen Funktionen beteiligt sind. Insofern kann man im menschlichen Gehirn kein typisches Musikwahrnehmungsareal identifizieren. Wir sprechen heute eher von einem Netzwerk für die Musikwahrnehmung.
8 Musik und Hemisphärenspezialisierung
Betrachtet man das menschliche Gehirn von oben (z. B. das Gehirn eines Verstorbenen oder Gehirnbilder, welche anhand von Kernspin-Aufnahmen angefertigt wurden), dann erkennt man deutlich, dass es eigentlich aus zwei Teilen besteht. Diese beiden Gehirnteile bezeichnen wir als Hirnhemisphären (Hirnhälften). Sie sind über ein dickes «Kabelsystem» miteinander verbunden, das wir den Balken oder in der neuroanatomischen Fachsprache
Corpus callosum
nennen (s. Abb. 53 ).
Die beiden Hemisphären unterscheiden sich in wichtigen anatomischen Merkmalen stark voneinander und sind keine spiegelbildlichen Duplikate. Genaue anatomische Analysen haben ergeben, dass die Form und GröÃe einiger Hirngebiete in den beiden Hemisphären deutlich voneinander abweichen. Besonders auffällig ist dies für eine der markantesten Furchen, die man auf der Gehirnoberfläche entdecken kann, die
Sylvische Fissur
(auch Seitenfurche genannt), und die um sie herum liegenden Hirngebiete. Rund 80 bis 90 % der Gehirne von rechtshändigen Menschen verfügen über eine Sylvische Fissur, dielinks viel horizontaler (gerader) verläuft als in der rechten Hemisphäre. Auffällig ist auch, dass dieser horizontale Teil der
Sylvischen Fissur
auch in der linken Hemisphäre viel länger ist als auf der rechten Seite. An ihrem hinteren Ende macht die
Sylvische Fissur
einen Knick nach oben. Dieser aufsteigende Teil ist auf der linken Seite deutlich kleiner als auf der rechten Seite. Ich will Sie an dieser Stelle nicht mit anatomischen Details langweilen, sondern darauf hinweisen, dass diese anatomische Rechts-links-Asymmetrie auch die Volumenasymmetrien der um diese Furche angeordneten Hirngebiete mitbestimmt. Dies sind insbesondere Hirngebiete, die an der Sprach- und Musikverarbeitung beteiligt sind. Gelegentlich wurde sogar vermutet, dass diese anatomischen Asymmetrien auch quasi die strukturelle Grundlage für die funktionellen Asymmetrien der Sprach- und Musikverarbeitung seien. Obwohl plausibel, ist dies allerdings bislang noch nicht zweifelsfrei belegt. Wenn tatsächlich ein solcher Struktur-Funktions-Zusammenhang existieren würde, wäre dies für Ãberlegungen zu evolutionären Grundlagen der Sprachentwicklung äuÃerst interessant, denn bereits Schimpansen scheinen ähnliche anatomische Asymmetrien aufzuweisen.
Abbildung 53: Bild eines menschlichen Gehirns, welches nach dem Tod (post mortem) fotografiert wurde. Man erkennt auÃer den beiden Hemisphären den Balken, der sie miteinander verbindet. Rechts ist ein Saggitalschnitt durch das Corpus callosum dargestellt.
Es ist bekannt, dass beide Hirnhemisphären nicht jede psychische Funktion gleich effizient verarbeiten. Dass verschiedene psychische Funktionen von beiden Hirnhemisphären unterschiedlich verarbeitet werden, wird als funktionelle Hemisphärenasymmetrie oder funktionelle Lateralisierung bezeichnet. Lange galt in der Neurologie und Neuropsychologie der Grundsatz, dass Sprache und Musik von den beiden Hirnhemisphären unterschiedlich verarbeitet werden. So gilt bis heute, dass bei Rechtshändern für das Sprechen, Sprachverstehen und Sprachgedächtnis vorwiegend linksseitige Hirnstrukturen (also Hirngebiete in der linken Hemisphäre) verantwortlich sind. Gleichzeitig ging man lange davon aus, dass quasi komplementär rechtsseitige Hirnstrukturen vorwiegend Funktionen beherbergen, die Musikwahrnehmung und Musikproduktion unterstützen. Dies wurde insbesondere durch Untersuchungen mittels des invasiven WADA-Testes und des nichtinvasiven dichotischen Hörtests untersucht. Diesen Test werde ich weiter unten näher beschreiben.
Beim WADA-Test wird in die Arteria carotis interna (dies ist eine paarig angelegte groÃe Arterie, die das Hirn mit sauerstoffreichem Blut versorgt) ein Schlafmittel hineingespritzt. In der Regel handelt es sich um ein Barbiturat mit
Weitere Kostenlose Bücher