Macht Musik schlau?
psychischen Prozessen beteiligt. Das Theta-Band ist besonders dominant im Zusammenhang mit dem Speichern und Abrufen von Informationen im episodischen Gedächtnis und im Arbeitsgedächtnis. Das untere Alpha-Band wird mit Aufmerksamkeit und Erwartungsprozessen in Verbindung gebracht. Dasobere Alpha-Band gilt als valider Indikator für das semantische Gedächtnis. Das für die wissenschaftliche Forschung wahrscheinlich interessanteste Frequenzband ist derzeit das Gamma-Band. Dieses Frequenzband scheint für das Zusammenführen und Synchronisieren weit entfernter Funktionsmodule im Gehirn verantwortlich zu sein. Ein klassisches Beispiel ist das Zusammenführen von Farb- und Objektinformationen. Wir sehen farbige Objekte als Einheit, z.B. als roten Ball oder blaue Briefmarke. Die Farb- und Objektinformationen werden allerdings in relativ weit auseinanderliegenden Hirnstrukturen analysiert. Man nimmt an, dass die beteiligten Hirngebiete durch synchrone Oszillation in der Gamma-Frequenz funktionell sozusagen zu einer Einheit «verschmolzen» werden, damit diese Informationen trotz Aktivierungen weit auseinanderliegender Hirngebiete zusammengeführt werden. Durch diese synchrone Aktivierung wird dann die komplexere Wahrnehmung eines farbigen Objektes möglich. Man kann sich nun vorstellen, dass viele unserer komplexen Wahrnehmungs- und Gedächtnisphänomene von der Aktivität relativ weit voneinander entfernter Hirngebiete abhängen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass gerade bei komplexen Wahrnehmungs- und Gedächtnisprozessen vermehrt kohärente Gamma-Band-Aktivität zu messen ist (Herrmann, Munk und Engel, 2004).
Einige EEG-Untersuchungen haben diese Frequenzbänder während des passiven Hörens von Musik registriert. Es zeigt sich, dass beim Hören klassischer Musik (insbesondere beim Hören von Mozart-Musik) eine weite Teile des Gehirns erfassende kohärente Gamma-Band-Aktivität auftritt. Fasst man die kohärente Gamma-Band-Aktivität als Indikator für höhere Gedächtnis- und Wahrnehmungsprozesse auf, könnte dies bedeuten, dass beim Hören dieser Musik eben vermehrt Gedächtnis- und Wahrnehmungsprozesse «angestoÃen» werden. Allerdings darf nicht auÃer Acht gelassen werden, dass die hier zitierten Studien Versuchsdesigns verwendet haben, die keine zweifelsfreie Interpretation der Befunde erlauben (Bhattacharya und Petsche, 2001a; Bhattacharya und Petsche, 2001b; Bhattacharya, Petsche und Pereda, 2001). So waren in einigen Studien die Versuchspersonen einfach angehalten, der Musik passiv zuzuhören, ohne dass sie in irgendwelche Aufgaben eingebunden waren. Man weià also nicht, welchen Hörzugang die Versuchspersonen zur dargebotenen Musik gewählt haben. Haben sie die Musik eher als Hintergrundmusik wahrgenommen, oder haben sie sich dieser Musik aktiv mit einem bestimmten Wahrnehmungsziel zugewandt (z.B. Hineinversetzen in eine Emotion oder mentale Vorstellung einer Opern- oderKonzertszene)? Diese unklare Instruktion der Versuchspersonen ist eine erhebliche Einschränkung der Experimente, denn wir wissen mittlerweile sehr gut, dass groÃe Hirnaktivierungsunterschiede festzustellen sind, je nachdem wie mit den dargebotenen Reizen umgegangen wird (Jancke, Mirzazade und Shah, 1999a; Jäncke, Mirzazade und Shah, 1999b). Einen etwas anderen Ansatz wählten die slowenischen Neuropsychologen Norbert Jausovec und Katarina Habe (Jausovec und Habe, 2004). Während die Versuchspersonen eine Mozart-Sonate hörten (KV 448), waren sie angehalten, eine mäÃig schwere Aufmerksamkeitsaufgabe zu lösen. Sie mussten aus einer Serie von unterschiedlichen Reizen relativ selten auftauchende Reize erkennen und durch einen Tastendruck anzeigen. Für die zu entdeckenden Reize haben die Wissenschaftler evozierte Potenziale gemessen und festgestellt, dass markante Komponenten dieser evozierten Potenziale insbesondere in der rechten Hemisphäre deutlich schneller auftraten, was darauf hinweist, dass einige Analyseprozesse, die mit diesen Potenzialen gekoppelt sind, schneller ablaufen. Neben den evozierten Potenzialen haben die Wissenschaftler auch EEG-Oszillationen gemessen und insbesondere das Gamma-Band analysiert (30â100 Hz). Auch in dieser Studie zeigte sich eine ausgedehnte Kohärenz der Gamma-Band-Aktivität. So interessant diese Studien auch sind, ihr Hauptproblem ist, dass sie lediglich wenige Musikstücke
Weitere Kostenlose Bücher