Macht Musik schlau?
dem Namen Sodium-Amobarbiturat. Spritzt man dieses Schlafmittel in die linksseitige Carotis, dann wird die linke Hemisphärein einen Tiefschlaf versetzt. Wird hingegen das Schlafmittel in die rechte Carotis gespritzt, dann «schläft» die rechte Hemisphäre. Auf diese Art und Weise kann die eine Hirnhemisphäre in einen Tiefschlaf versetzt werden, während die andere noch wach ist und die von dieser Hemisphäre kontrollierten Funktionen mehr oder weniger unbeeinträchtigt ablaufen können. Versetzt man so (bei Rechtshändern) die linke Hirnhemisphäre in einen Tiefschlaf, können die Versuchspersonen sehr schlecht oder gar nicht mehr mit sprachlichem Material umgehen. Sie können weder sprechen noch lesen. Gelegentlich sind sie noch zu einfachen stereotypen ÃuÃerungen in der Lage. Viele so behandelte Versuchspersonen können jedoch noch Melodien nachsingen. Ein umgekehrtes Verhaltensmuster zeigt sich bei einer Hemmung der rechten Hemisphäre. In diesem Zustand können die Versuchspersonen keine Melodien mehr nachsummen. Sie sind jedoch in der Lage, nachzusprechen oder Objekte zu benennen. Obwohl diese Untersuchungen eindrückliche Belege für die funktionelle Spezialisierung der Hirnhemisphären lieferten, ist ihre Aussagekraft erheblich beschränkt. Denn wie man sich leicht vorstellen kann, sind solche Untersuchungen nicht gerade angenehm. Man muss nämlich eine Kanüle beidseitig in die Beinarterie einführen und sie quasi nach oben bis zur Carotis schieben. Dieser invasive Eingriff ist sehr unangenehm und hat auch gelegentlich zum Tode geführt. Daher ist dieser Eingriff eigentlich nur einer präoperativen Diagnostik vorbehalten, mit der bei Patienten kurz vor einem neurochirurgischen Eingriff die funktionelle Hemisphärenasymmetrie überprüft wird. Untersuchungen an vielen Versuchspersonen unter sorgfältiger Kontrolle vieler Aspekte sind mit dem WADA-Test deshalb nicht möglich.
Häufiger eingesetzt wurde in diesem Zusammenhang hingegen der dichotische Hörtest. Bei diesem Test werden über Stereokopfhörer beiden Ohren simultan unterschiedliche Reize präsentiert. So kann man z.B. auf dem rechten Ohr die Silbe /da/ präsentieren, während dem linken Ohr /ta/ präsentiert wird. Anstatt sprachlicher Reize können auch Musikstücke oder Töne dichotisch präsentiert werden. In der Regel erzielt man mit diesem Test folgende Ergebnisse: Präsentiert man sprachliches Material dichotisch (also links und rechts gleichzeitig unterschiedliche Silben oder Wörter), dann erkennen rechtshändige Personen die dem rechten Ohr dargebotenen Reize schneller und besser. Verwendet man allerdings musikalisches Material, indem man simultan unterschiedliche Töne, Klänge oder kurze Musikphrasen präsentiert, erhält man ein anderes Ergebnis. In der Regel erkennen rechtshändige Personen die demlinken Ohr präsentierten Musikreize besser. Da man davon ausgeht, dass die Hörbahnanteile vom rechten Ohr einen direkteren Zugang zur linksseitigen sprachspezialisierten Hemisphäre aufweisen und das linke Ohr umgekehrt eine direktere Verbindung zur rechten Hirnhemisphäre aufweist, werden die Ergebnisse der dichotischen Tests als Beleg für die unterschiedliche Verarbeitung von Sprache und Musik in den beiden Hirnhemisphären aufgefasst. Diese Ergebnisse sollen also belegen, dass Musik eher durch rechtsseitige und Sprache durch linksseitige Hirngebiete verarbeitet wird.
Prinzipiell ist dies schon korrekt und wird durch eine Serie von Experimenten unterstützt. Vor ca. 35 Jahren wurden allerdings schon die ersten Befunde publiziert, die deutlich machten, dass dieses einfache Muster (rechts = Musik und links = Sprache) nicht durchgehend angewendet werden kann. So konnten z.B. Bever und Chiarello (1974) unter Verwendung eines dichotischen Musiktests belegen, dass die Verarbeitungsasymmetrie für Musik wesentlich davon abhängt, ob die getesteten Versuchspersonen musikalische Laien oder Experten waren. Es ergab sich nämlich ein Verarbeitungsvorteil der linken Hemisphäre für Musik bei Musikexperten und ein Verarbeitungsvorteil der rechten Hemisphäre für musikalische Laien. Die Autoren haben diesen Befund damit zu erklären versucht, dass Musiklaien eher holistisch (gestalthaft und ganzheitlich) verarbeiten würden, während Musikexperten analytische Verarbeitungsstrategien verwenden würden, die
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