Macht Musik schlau?
und dem gewählten Hörzugang unterschiedliche Hirnmodule. So ist häufig bei automatisierten zeitlichen Analysen 46 auch das Kleinhirn beteiligt. Müssen komplexeMusiksequenzen analysiert oder erzeugt werden, beteiligt sich auch das Stirnhirn. Hier sind verschiedene Teilgebiete identifiziert worden, welche an der Kontrolle unterschiedlicher Prozesse beteiligt sind. Rechtsseitig im Stirnhirn findet man Hirngebiete, die besonders intensiv bei der Analyse und der Produktion von regelmäÃigen Musikstrukturen (Musiksyntax) beteiligt sind. Wie bereits erwähnt, hat Musik einen besonders eleganten effizienten Zugang zur Motorik. Wenn wir Musik hören, die uns gefällt, bewegen wir uns häufig im Takt. Der Grund dafür ist, dass beim Hören von Musik automatisch die Motorareale mit aktiviert werden. Insbesondere die so genannten prämotorischen Hirngebiete erhalten intensiven Aktivitätszustrom aus dem Hörkortex. Diese Hirngebiete sind an der Planung und Ordnung von Bewegungen beteiligt. Interessanterweise werden diese Hirngebiete insbesondere dann aktiv, wenn noch gar keine Bewegungen stattfinden, sondern Bewegungen geplant, aus Teilbewegungen zusammengesetzt oder mental simuliert werden. Die mentale Simulation einer Bewegung ist nicht das Gleiche wie die Bewegungsplanung. Im Zuge der Bewegungsplanung werden tatsächlich nachfolgende Bewegungen vorher ausgewählt und «zusammengesetzt». Bei der mentalen Simulation «bewegt» sich der Vorstellende überhaupt nicht in der Realität, sondern nur in seiner Vorstellung. Dies wäre der Fall, wenn man sich vorstellen würde, zu tanzen oder Tennis zu spielen, ohne es tatsächlich physisch zu tun.
Oben habe ich die klassische Bottom-Up-Analyse dargestellt. Das gesamte Netzwerk kann jedoch auch umgekehrt, im Sinne eines «Top-Down-Prozesses» «betrieben» werden. In diesem Fall «aktivieren» übergeordnete Funktionsmodule untergeordnete. Stellen Sie sich vor, einen aktuellen Popsong zu hören. Sie rufen dann praktisch aus Ihrem Gedächtnis die Melodie ab. Möglicherweise erinnern Sie sich noch an Zusatzinformationen (z.B. daran, wie der Sänger aussieht, an Gefühle etc.). Die übergeordneten Funktionsmodule aktivieren dann die untergeordneten bis hin zum Hörkortex. Das führt dann dazu, dass Sie bei der Vorstellung, ein Musikstück zu hören, auch jene Hirngebiete aktivieren, die beim «wirklichen» Musikhören aktiv wären. Je lebhafter dieVorstellung, desto stärker ist z.B. auch der Hörkortex aktiv. 47 Ein eindrückliches Beispiel für diese Top-Down-Aktivierung kann manchmal bei Menschen beobachtet werden, die unter starken Hörbeeinträchtigungen leiden oder durch Krankheit taub geworden sind. Einige dieser taub gewordenen Patienten erleben teilweise heftige Musikhalluzinationen. Das bedeutet, sie hören vor ihrem «inneren Ohr» Musik, obwohl sie taub sind. Man muss sich dies einmal vorstellen. Dies sind Patienten, die von ihren «Musikhalluzinationen» überwältigt werden, obwohl sie ansonsten nichts hören. Timothy Griffiths hat sechs solcher Patienten mittels der Positronenemissionstomographie untersucht und festgestellt, dass bei ihnen die sekundären Hörareale besonders stark durchblutet, d.h. aktiviert sind (Griffiths, 2000). Ferner sind jene Hirngebiete stärker durchblutet, also aktiviert, die an visuellen Analysen und an der Kontrolle von Gedächtnisfunktionen beteiligt sind. Diese Aktivierungen sprechen für einen Top-Down-Prozess, wonach übergeordnete Module untergeordnete aktivieren.
Interessante Einblicke in die Art und Weise, wie das Gehirn Musik verarbeitet, bieten moderne EEG- und MEG-Untersuchungen. Mit diesen Techniken ist es nämlich möglich, den Netzwerkcharakter der musikverarbeitenden Hirngebiete herauszuarbeiten. Hierzu registriert man die Hirnwellen und analysiert ihr Schwingungsmuster. Die Hirnwellen oszillieren in verschiedenen Frequenzbereichen von 2â100 Hz. Die jeweiligen Frequenzbänder repräsentieren unterschiedliche Bewusstseinszustände und Verarbeitungsmodi des Gehirns. Für das Thema dieses Kapitels besonders interessant sind folgende Frequenzbänder: 1. Das Theta-Band (3â6 Hz); 2. das untere Alpha-Band (7â10 Hz); 3. das obere Alpha-Band (11â12 Hz) und 4. das Gamma-Band (30â100 Hz). Jedes dieser Frequenzbänder ist typischerweise an unterschiedlichen
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