Macht Musik schlau?
wird schon seit langem berichtet. Einer der prominentesten Vertreter dieses Modells ist Sir Huckling Jackson, der von mehreren Patienten berichtet hat, bei denen eine klare Arbeitsteilung zwischen der rechten und linken Hemisphäre im Hinblick auf Sprach- und Musikfunktionen vorlag. Allerdings zeigen sorgfältig durchgeführte neuere Arbeiten, dass sich die Hirngebiete, die Sprach- und Musikfunktionen kontrollieren, anatomisch teilweise überlappen und somit nicht völlig unterschiedlich sind. Besonders hilfreich sind hierbei sorgfältige Analysen von neurologischen Erkrankungen. Bei bestimmten Erkrankungen des Gehirns treten motorische oder sensorische Amusien auf. Dies sind Störungen bei der Erzeugung (motorische Amusie) oder Wahrnehmung (sensorische Amusie) von Musikstücken aufgrund von Hirnschädigungen. Die meisten Hirnstörungen, die zu Amusien führen, sind in der rechten Hemisphäre lokalisiert. Eine genaue Analyse der Läsionsmuster ergibt jedoch ein viel differenzierteres Bild. So scheint das Erkennen und die Produktion von Melodien eher bei Läsionen der rechten Hemisphäre (insbesondere des rechtsseitigen Temporallappens, aber auch des rechten unteren Teils des Stirnhirns) beeinträchtigt zu sein, während die Produktion und das Erkennen von Rhythmen eher bei Läsionen von linksseitigen Hirngebieten beeinträchtigt sind (Stewart, von Kriegstein, Warren und Griffiths, 2006; Schuppert, Münte, Wieringa und Altenmüller, 2000). Diese Befunde lassen im Hinblick auf Sprach- und Musikfunktionen eine einfache Links-rechts-Dichotomie vermuten. Metaanalysen von Fallstudien, in denen neurologische Patienten mit Amusien beschriebenwerden, zeigen jedoch ein viel differenzierteres Bild (Stewart, von Kriegstein, Warren und Griffiths, 2006). So werden in der Tat für bestimmte Musikwahrnehmungsaspekte (z.B. für das Wahrnehmen von Tonintervallen und Klangfarbe) Rechtslateralisierungen berichtet. Das heiÃt Patienten mit Läsionen im rechtsseitigen auditorischen Kortex (vor allem im Heschlâschen Gyrus, im vorderen Gyrus temporalis superior und im Planum temporale) leiden häufiger unter Störungen der Tonintervall- und Klangfarbenwahrnehmung. Trotzdem kann man nicht eindeutig feststellen, ob an der Verarbeitung von Musik im menschlichen Gehirn ausschlieÃlich die rechte Hirnhälfte beteiligt sei. Dafür ist die Repräsentation der Musikfunktion viel zu komplex. Allerdings muss man festhalten, dass das einfache Bild, dass die Sprache in der linken Hemisphäre und Musikfunktionen rechts lokalisiert sei, noch allzu präsent ist. Aufgrund dieses allgemein anerkannten Links-rechts-Funktionsmusters werden Nichtmusiker, die unter linksseitigen Hirnstörungen leiden, in der Regel nicht auf Amusie untersucht, sondern ausschlieÃlich auf mögliche Aphasien. Aphasien sind Sprachstörungen, die infolge von linksseitigen kortikalen Hirnstörungen auftreten, und sind vergleichsweise gut untersucht. Bei dieser Sprachstörung sind die Mundwerkzeuge und das Hörorgan noch mehr oder weniger gut funktionsfähig, nur die Hirnmodule, die Semantik, Syntax, Lexikon, Phonologie und Prosodie kontrollieren, sind beeinträchtigt. Je nach Schädigungsort treten unterschiedliche Störungsschwerpunkte auf. Bei einer Schädigung des unteren Teils des Stirnhirns (Gyrus frontalis inferior) treten eher Sprachproduktionsprobleme mit Störungen der Grammatikverarbeitung auf. Häufig sind auch Probleme bei der Produktion und der Wahrnehmung von Sprachlauten (Phonemen). Ein anderes Störungsmuster kann man bei einer Läsion des hinteren Teils um die Sylvische Fissur (Gyrus temporalis superior, Teile vom Gyrus supramarginalis und Gyrus angularis) erkennen. Bei dieser Störung sind eher Probleme bei der Sprachwahrnehmung, bei semantischen Analysen und beim Sprachgedächtnis vorherrschend. Bei kleineren Läsionen im Temporallappen dominieren eher Sprachgedächtnisprobleme (amnestische Aphasie). Ist das gesamte Hirngebiet um die
Sylvische Fissur
betroffen, ist das gesamte Sprachsystem gestört, und die Patienten können bestenfalls einzelne Wörter hervorbringen und verstehen. Spezialvarianten sind die Leitungsaphasie bei Durchtrennung eines bestimmten «Kabelsystems», das die hinteren Sprachareale (um den hinteren Bereich der Sylvischen Fissur) mit den vorderen verbindet. Bei solchen Schädigungen könnendie Patienten nicht mehr
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