Macht Musik schlau?
diesem Zusammenhang der Vater Leopold Mozart? Bevor wir uns diesen Fragen aus der neuropsychologischen Perspektive widmen, lassen sie mich diesen Beitrag mit einem Versuch der Rekonstruktion von Wolfgang Amadeus Mozarts Kindheit und Elternhaus beginnen.
Der kleine Wolfgang Amadeus wuchs in einem durch und durch von Musik bestimmten Elternhaus auf. Für viele Musikhistoriker ist Vater Leopold einer der bedeutendsten Musikpädagogen seiner Zeit, insbesondere weil er im Geburtsjahr von Wolfgang Amadeus ein musikpädagogisches Standardwerk (den «Versuch einer gründlichen Violinschule») publizierte, welches auch ins Holländische und Französische übersetztwurde. Daneben komponierte er Klavierwerke, Kammermusik, Sinfonien, Kirchenmusik und Lieder. Das Leben im Elternhaus bestand somit zu groÃen Teilen aus «gelebter» Musik. SchlieÃlich bestritt Vater Leopold den gesamten Lebensunterhalt der Familie mit seinem Handwerk. Wolfgang Amadeus und die fünf Jahre ältere Schwester Maria Anna («Nannerl») haben sicherlich den gesamten Tag über in irgendwelcher Form Musik gehört. Vater Leopold begann sehr früh mit der Musikausbildung seiner Kinder, die er peinlich genau in seinen «Notenblättern» festhielt. Bis zum Alter von drei Jahren war Wolfgang Amadeus offenbar noch nicht fähig, an den Trainingsstunden seines Vaters teilzunehmen. Aber Nannerl musste intensiv unter den strengen Augen des Vaters Klavier spielen. Jeder Fortschritt und jede Ãbungsphase wurden vom Vater notiert. Obwohl der kleine Wolfgang Amadeus während seiner ersten drei Lebensjahre offenbar von diesen Trainingssitzungen verschont blieb, war er doch zumindest indirekt betroffen, hörte er doch die musikalischen Produktionen seiner Schwester. Vielleicht spielte der kleine Wolfgang sogar unter dem Klavier mit seinen Holzpferdchen, während seine Schwester oder sein Vater übten.
Als Mozart drei oder vier Jahre alt war, begann sein Vater, ihm mittels einer Kindergeige den Umgang mit diesem Instrument beizubringen, da die Finger des kleinen Wolfgang Amadeusâ noch zu klein für die Tasten eines Klaviers waren. Mit fünf folgte dann die Unterweisung im Klavierspielen. Hierzu existieren einige anschauliche zeitgenössische Bilder, die den kleinen Wolfgang Amadeus auf einem dicken Kissen vor einem Klavier sitzend zeigen. Nach den Aufzeichnungen, die Vater Leopold selbst angefertigt hat, haben beide Kinder offenbar recht umfangreiche Trainingssitzungen zu absolvieren gehabt, die jeweils mehrere Stunden pro Tag umfassten. Aus den historischen Berichten über Mozarts Kindheit geht hervor, dass Vater Leopold bereits 1761, als Wolfgang Amadeus vier Jahre alt war, ein
Andante
und ein
Allegro
als des «Wolfgangerl Compositiones» aufzeichnete, denen ein
Allegro
und ein
Menuetto
folgten.
Man könnte sich an dieser Stelle fragen, warum der Vater so früh mit dem Musiktraining beider Kinder begonnen hat. Der Grund dafür könnte natürlich sein, dass er die Talente seiner beiden Kinder schon sehr früh erkannt hat und sie besonders früh fördern wollte, um das Fundament für den späteren Broterwerb der Kinder zu legen. Es mag allerdings auch sein, dass er quasi eine «Geschäftsidee» hatte und seine Kinder ausbildete, um mit ihnen später aufzutreten, denn Kinder mit besonderen «Talenten» waren auch im 18. Jahrhundert gut zu vermarkten.Welches seine Motive waren, kann natürlich vom heutigen Standpunkt nicht mehr eindeutig geklärt werden, obwohl die sehr erfolgreichen Europatourneen von Vater Leopold mit den Kindern eher für die zweite Alternative sprechen. Für mich ist vielmehr bedeutsam, dass Wolfgang und Nannerl offenbar sehr früh mit auÃerordentlich intensivem, strengem, gewissenhaftem und methodisch geschicktem Musiktraining begannen und dieses Training auch mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte aufrechterhielten.
Dieser kleine Ausflug in Mozarts Kindheit soll uns nun zum eigentlichen Thema dieses Abschnittes führen. Die modernen kognitiven Neurowissenschaften haben in den letzten 15 Jahren eine enorme Fülle von Kenntnissen im Hinblick auf die Plastizität des menschlichen Gehirns zutage gefördert. Wir wissen z.B., dass bereits Babys im Alter von sechs Monaten beginnen, Vokale ihrer Muttersprache zu erkennen und sie von Vokalen anderer Sprachen zu unterscheiden. Im Alter von acht Monaten werden muttersprachliche
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