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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Betonungsmuster erkannt und bereits mit elf Monaten können Fremd- und Muttersprache perfekt auseinandergehalten werden. Schon das Babygehirn lernt also unbewusst, sich aufgrund der vorherrschenden Sprachinformationen auf eine Sprache zu spezialisieren. In gewisser Weise werden hier schon die Grundlagen für das Verständnis für die Muttersprache gelegt. Diese erfahrungsbedingte Differenzierung des Sprachsystems schreitet mit zunehmendem Alter voran. Ähnliches spielt sich beim Lernen von musikalischen Vorlieben und auch beim Lernen von Klangmustern ab (siehe hierzu auch Kap. 4 ). Hierbei wird nach statistischen Prinzipien gelernt, wobei häufig Wahrgenommenes und/oder Produziertes sich im Gehirn auf Kosten von seltenen Ereignissen etabliert. Auf diese Art und Weise werden viele (nicht alle!) kognitiven Funktionen wie Sprechen, Sprachverständnis, Lesefertigkeit, Denken, Motorik und musikalische Fertigkeiten erworben. Auch außergewöhnliche Spezialfertigkeiten haben häufig ihren Ursprung in extrem frühem Lernen. So ist bekannt, dass sehr gute Schachspieler meist sehr früh mit Schachspielen begonnen haben. Auch Spitzensportler in verschiedenen Sportarten (z.B. Tennis, Golf) oder Tänzer haben in der Regel sehr früh mit intensivem Training begonnen. Wie ich noch näher erläutern werde, führt frühes und intensives Training offenbar zu markanten Veränderungen der Hirnanatomie und -funktion.
    Dies soll nicht heißen, dass Veranlagung keine Bedeutung mehr hätte und alles intensivem und frühem Lernen zuzusprechen wäre
. Allerdings ist es viel zu einfach, umgekehrt alle Fertigkeiten auf Veranlagung zurückzuführen.Vielmehr entspricht die Bezeichnung «Genie» (also die außerordentliche Spezialbegabung) als Ursachenzuschreibung für besondere Fähigkeiten einem alten Konzept aus der Romantik, dass durch die psychologische Forschung widerlegt ist. Moderne Theorien zur Hochbegabung (z.B. das Münchener Hochbegabungsmodell) gehen von vielen teilweise unabhängigen Faktoren aus, welche die außergewöhnlichen Leistungen determinieren. In diesen Modellen werden Umweltmerkmale und Persönlichkeitsmerkmale genannt, die sowohl positiven als auch negativen Einfluss auf die Transformation von Begabung in außergewöhnliche Leistung ausüben können. Eine besondere Bedeutung hat im Rahmen dieser Modelle der Lern- und Entwicklungsprozess zur Umsetzung von Begabung in Leistung. Für den deutschen Psychologen Franz E. Weinert (1999) ist Lernen «der entscheidende Mechanismus zur Umsetzung von hoher Begabung in exzellente Leistung». Dieser Lernprozess wird allerdings massiv von Persönlichkeitsmerkmalen, zuträglichen Fähigkeiten (z.B. Aufmerksamkeit), der Motivation, den Möglichkeiten und den Lebensumständen des Lernenden beeinflusst. In diesem Zusammenhang wird gegenwärtig auch der so genannte Expertise-Ansatz diskutiert. Dabei kommt die «Zehn-Jahres-Regel» zur Anwendung, die besagt, dass in der Regel zehn Jahre intensiver Auseinandersetzung mit einem bestimmten Bereich notwendig sind, um vom Novizen zum Experten mit entsprechend hohen Leistungen zu gelangen. Dies zeigt, wie bedeutsam Ausdauer, Wille und Motivation sind, aber auch, wie wichtig es ist, entsprechende Unterstützung seitens der Umwelt zu Verfügung gestellt zu bekommen. Deutlich wird dies etwa an der Bedeutung von Trainern im Sport.
    Weinert (1999) hat zwischen verschiedenen Typen von Begabten unterschieden. Auf der einen Seite beschrieb er das «ewige Talent» oder den «genialen Dilettanten». Beide Typen verfügen laut Weinert in vielen Bereichen über ein Halbwissen, werden aber letztendlich nie zu einem echten Experten in einem Bereich. Davon unterscheidet er den «begabten Versager», bei dem eine deutliche Diskrepanz zwischen hoher Begabung und gezeigter Leistung zu bemerken ist. Schließlich identifiziert er noch den «intelligenten Experten» mit einer großen Wissenstiefe auf einem Gebiet und den «hochgebildeten Intellektuellen» mit einer großen Wissensbreite auf vielen Gebieten.
    Nun, was ist Wolfgang Amadeus Mozart in diesem Zusammenhang? Zunächst ist er ein besonders deutliches Beispiel für einen Experten, der besonders früh mit außerordentlich intensivem Lernen von Spezialfertigkeiten begann. Sicherlich war er begabt für die Musik, so dass dasTraining bei ihm zu einem bemerkenswerten Erfolg

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