Macht Musik schlau?
Versuchspersonen zu messen 55 und diese Aktivität den Trainierenden visuell oder auditorisch kontinuierlich zurückzumelden. Diese Technik wird in Anlehnung an das bekanntere Biofeedback (bei dem physiologische Signale des vegetativen Systems zurückgemeldet werden) als Neurofeedback bezeichnet. Moderne Varianten, die teilweise kompliziertere Methoden einsetzen, werden als Brain-Computer-Interface-Technikenbezeichnet. In der Untersuchung der Londoner Psychologen waren die Versuchspersonen instruiert, ganz bestimmte Frequenzbänder des EEGs zu trainieren. Das heiÃt, sie sollten lernen, anhand der zurückgemeldeten visuellen oder auditiven Signale ihre Hirnaktivität entsprechend zu ändern. In einer Bedingung waren die Versuchspersonen instruiert, insbesondere die niederfrequente Theta-Frequenz (3â8 Hz) zu unterdrücken und die etwas höher frequente Alpha-Frequenz (8â12 Hz) zu verstärken. In anderen Versuchsbedingungen sollten andere Frequenzbänder trainiert werden, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Interessant war, dass das oben erwähnte Training zur Steigerung der Alpha-Frequenz auf Kosten der Theta-Frequenz zu erheblichen Verbesserungen der Spielleistung führte. Zu den verbesserten Musikleistungen gehörten neben der technischen Spielgenauigkeit auch Aspekte wie «interpretative Vorstellungskraft», «Ausdrucksstärke» und «Umgang mit emotionalen Belastungen».
9.6
Zusammenfassung und kritische Würdigung
â Â Â Â Ziel dieses Kapitels ist es, grundlegend die an der Produktion von Musik beteiligten Hirnstrukturen und psychologischen Prozesse darzulegen.
â    Ein wichtiges Funktionsmodul ist die motorische Kontrolle, die über bestimmte spezialisierte Hirngebiete bewerkstelligt wird. Beim motorischen Lernen wird kontinuierlich automatisiert, und die Anzahl der motorischen Kommandos wird reduziert. Hierbei stellt sich eine Verlagerung der Hirnaktivität von lateral (seitlich im Hirn) nach mesial (in der Mitte des Hirns) ein.
â    Die Sequenzierung motorischer Handlungen ist ein weiterer wichtiger Verarbeitungsschritt. Wahrscheinlich werden diese Funktionen über das so genannte
General Assembly Device
(GAD) im Stirnhirn kontrolliert.
â    Wenn man Musikstücke spielt, sind vielfältige Gedächtnisinformationen nötig. Diese Informationen reichen von Tönen, Rhythmen und Melodien bis hin zu Erinnerungen an Episoden, Personen und Emotionen, die mit dem zu spielenden Musikstück assoziiert sind.
â    Musikproduktion beinhaltet nicht nur, dass Musikstücke aus dem Gedächtnis perfekt reproduziert werden, sondern auch, dass neue und sinnvolle Elemente eingebaut werden, um die Ausdruckskraft zu erhöhen. Des Weiteren ist der kreative Akt des Musizierens, so wie er sich z.B. beim Komponieren oder Improvisieren zeigt, eine besondere Fähigkeit. Im Rahmen dieses Kapitels werden drei Hirnsysteme vorgeschlagen, die für die Kontrolle kreativer Musikprozesse wichtig sind: Das limbische System, Teile des Schläfenlappens und weite Bereiche des Stirnhirns. Hierbei besteht zwischen dem Stirnhirn und dem Schläfenlappen eine hemmende Beziehung. Das limbische System ist mit dem Stirnhirn über gegenseitig erregende Bahnen verbunden.
10 Verändert Musizieren das Gehirn?
Das Gehirn ist ein faszinierendes Organ. Ich kann mich entsinnen, dass ich bereits als Jugendlicher von der durchaus ästhetischen Kraft, die von den Abbildungen menschlicher Gehirne ausging, angezogen war, und ich bin es immer noch. Auslöser war mein damaliger Biologielehrer, der eines Tages ein Gehirnmodell aus Gummi mitbrachte und es uns Heranwachsenden auf beiden Händen entgegenstreckte. Er sagte uns damals in seiner recht pragmatischen und emotionslosen Art: «Das ist der Sitz des menschlichen Geistes. Alles was wir denken und fühlen, wird von diesem Organ kontrolliert.» Das war (wenn ich mich richtig erinnere) so Anfang der 1970er-Jahre, wahrscheinlich 1971. Wenn ich mir diese Aussage meines (im Ãbrigen sehr guten) Biologielehrers «auf der Zunge zergehen lasse», dann war dies damals eigentlich eine sehr deutliche und mutige Aussage. Ich verwende diesen Satz heute noch in meinen Vorlesungen und Vorträgen, wenn ich die Neuroanatomie oder einleitend den Sinn der kognitiven Neurowissenschaften erläutern will. Manchmal ertappe ich mich in der
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