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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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um eine Zunahme der Dichte der grauen Substanz, was auf eine Vergrößerung der Nervenzellen oder eine Vermehrung der Dendriten oder der Synapsen hindeuten könnte.
    â–     Es sind auch Veränderungen der weißen Substanz berichtet worden. Dies bedeutet, dass sich auch das «Kabelsystem» verändert, je nachdem, ob und insbesondere wie häufig jemand musiziert. Wahrscheinlichist die Veränderung des «Kabelsystems» auch mit einer Verbesserung der Leitungseigenschaften elektrischer Signale verbunden.
    â–     Anatomische Veränderungen im Zusammenhang mit dem Lernen spezifischer Inhalte sind auch bei Nichtmusikern berichtet worden. Die anatomische Anpassung an Lerninhalte scheint also ein grundsätzliches Prinzip des Lernens zu sein.
    â–     Offenbar verändern sich jene Hirngebiete anatomisch, die an der Kontrolle intensiv trainierter Funktionen beteiligt sind.

11 Musik und Sprache
    Wenn man gelegentlich über seine Schulzeit nachdenkt und sich fragt, welche der vielen Fächer, die man «genossen» hat, für einen wirklich wichtig gewesen sind und auch bis heute einen «hörbaren» Nachklang haben, wird wohl jeder zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen kommen. Für den einen war Geschichte prägend, während der andere der Überzeugung ist, dass Mathematik das für ihn wichtigste und nachhaltigste Fach war. Ich will mich hier nicht auf eine Diskussion über die Wertigkeit einzelner Fächer einlassen und womöglich das eine gegen das andere Fach ausspielen. Welches Fach man auch immer als sein liebstes und prägendstes erachten mag, allen Fächern gemeinsam ist die Sprache. Mit unserer Sprache drücken wir uns aus, teilen anderen unsere Ansichten und Nöte mit. Wir werden in Mathematik unterwiesen, indem der Lehrer uns sprachlich Aufgaben stellt, die Lösung mitteilt und uns Lösungswege aufzeigt. Die Sprache ist und bleibt ein allumfassendes Kommunikationsmittel, um Informationen auszutauschen und festzuhalten. Lehrer, die gut erklären konnten, waren erfolgreich und beliebt. Schüler, die sich ihrer Sprachfertigkeiten nicht sicher waren, blieben im Unterricht still und fanden kaum Kontakt zum Lehrer und zum Stoff. Nicht nur in der Schule, sondern auch im täglichen Leben nimmt die Sprache besonders viel Raum ein. Menschen, die sprachlich besonders gut kommunizieren können, werden häufig auch als besonders attraktiv und kompetent empfunden. Gelegentlich wird dieser Fähigkeitsaspekt unter dem Begriff «soziale Fertigkeiten» zusammengefasst. Die Bedeutung der Sprache für die Wissensvermittlung erkennt man insbesondere dann, wenn sie nicht beherrscht wird. Wir erkennen dies z.B. in Schulen, wo Kinder die Standardsprache der jeweiligen Region nicht beherrschen. Diese Kinder haben nicht nur Probleme, sich angemessen mit Kindern anderer Sprachen auszutauschen, sie haben insbesondere Probleme, dem Unterricht der Lehrer zu folgen.
    Die Sprache scheint eine Sonderstellung im Kanon menschlicher Fähigkeiten einzunehmen. Diese vermeintliche Sonderstellung wird auch durch einflussreiche wissenschaftliche Erkenntnisse gestärkt. PaulBroca (1824–1880) war ein französischer Arzt und Anthropologe, der sich unter anderem mit Störungen der Sprachproduktion auseinandergesetzt hat. Brocas Entdeckung, dass bestimmte Gebiete in der linken Hirnhälfte für die Sprachproduktion von wesentlicher Bedeutung sind, ist eine der wichtigsten Erkenntnisse der Neuropsychologie. Berühmt geworden ist Paul Broca durch die Veröffentlichung des Falls von Monsieur «Tan». «Tan» war nicht der richtige Name des Patienten, aber es war die einzige Silbe, die er noch sprechen konnte, als ihn Paul Broca um 1859 untersuchte. Das Interessante daran war, dass Monsieur Tan einzelne Fragen Brocas noch recht gut verstehen konnte. Besonders gestört war offenbar nur die Sprachproduktion. Er beantwortete Brocas Fragen, indem er die einzelnen «Tans» unterschiedlich betonte. Zwei Jahre nachdem Paul Broca diesen Patienten untersucht hatte, starb Monsieur «Tan», und Broca bekam die Gelegenheit, das Gehirn näher zu untersuchen. Im Rahmen dieser Autopsie stellte er fest, dass «unten an der dritten Stirnhirnwindung» (Broca 1861) in der linken Hirnhälfte eine starke strukturelle Hirnschädigung vorlag. Dieses Hirngebiet wird seitdem als das Broca-Areal bezeichnet. Einige Jahre

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