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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Marseille haben einen wichtigen Beitrag dazu geleistet (Schön, Gordon und Besson, 2005). Sie konnten belegen, dass bei Kindern formales Musiktraining, das unter anderem die Hörfähigkeit für Klänge, Akkorde, Tonintervalle, Rhythmen und Melodien trainiert, sich auch positiv auf die Wahrnehmung prosodischer 63 Sprachmerkmaleauswirkt. Im Französischen, Englischen und Deutschen hat die Betonung der Silben und Wörter unterschiedliche Funktionen. Man kann mittels unterschiedlicher Betonungen die Wörter und Sätze emotional ganz unterschiedlich unterlegen (emotionale Prosodie). Das hat zur Folge, dass wir ein und dasselbe Wort je nach der emotionalen Betonung ganz unterschiedlich aufnehmen. Man denke hier z.B. an das ärgerlich gesprochene «Komm her!» im Vergleich zum verführerisch gesprochenen «Komm her!». Die akustischen Charakteristika, die mit Äußerungen in unterschiedlichen emotionalen Tonlagen einhergehen, sind gründlich untersucht worden und können auch sehr gut gemessen werden (Scherer, 1995). Man kann diese akustischen Merkmale mit geeigneter Software auch sehr gut technisch manipulieren, um die Unterschiede zwischen den übermittelten Emotionen zu verstärken oder zu vermindern. Mireille Besson und Daniele Schön haben in einigen Untersuchungen den Versuchspersonen Wörter dargeboten, die sich hinsichtlich der übermittelten Emotionen unterschieden. Die charakteristischen akustischen Merkmale, welche die jeweiligen Emotionen ausmachen, haben sie dann künstlich derart verändert, dass die Unterschiede z.B. zwischen freudig und ängstlich gesprochenen Wörtern immer geringer wurden. Hierbei zeigte sich, dass Kinder mit formalem Musikunterricht auch noch geringe emotionale Unterschiede aus den dargebotenen Wörtern heraushören konnten, während Kinder ohne formalen Musikunterricht dabei deutlich schlechter abschnitten. In einer anderen Untersuchung haben die Marseiller Kollegen sich einer anderen Variante der Prosodie zugewandt, dem Satzakzent. Der Satzakzent ist nicht aus der geschriebenen Sprache erkennbar. Er ist in der gesprochenen Sprache von besonderem Wert, weil der Sprecher die Aufmerksamkeit des Hörers durch die Stimmgebung auf sein eigenes, subjektiv als wichtig erachtetes Thema lenken kann. Im Deutschen hebt der Satzakzent auch wichtige Satzelemente hervor und kann den Zusammenhalt zwischen Haupt- und Nebensätzen andeuten. Frage- und Aussagesätze zeichnen sich durch einen jeweils anderen, charakteristischen Satzakzent aus. Die Marseiller Kollegen haben die akustischen Merkmale dieser Satzakzentuierungenkünstlich graduell vermindert, so dass sie Stimulusmaterial zur Verfügung hatten, das im Hinblick auf bestimmte Satzakzentmerkmale immer schwerer auseinanderzuhalten war. Dabei zeigte sich, dass Kinder mit Musiktraining den Satzakzent viel besser erkannten, auch wenn es immer schwieriger wurde, diese Aufgabe zu absolvieren.
    Im Grunde zeigt dieses Experiment, dass die Gehörbildung, die Grundlage des formalen Musikunterrichts ist, auch einen sehr günstigen Einfluss auf die Sprachwahrnehmung und hier auf das Erkennen prosodischer Merkmale hat. Als Konsequenz könnte man sich praktisch vorstellen, dass Kinder mit formaler Musikausbildung komplexere gesprochene Sätze besser verstehen und auch aus der gesprochenen Sprache besser die emotionalen Inhalte heraushören. Dies könnte ihnen einen Vorteil für das einfühlsame Hineinversetzen in den Gesprächspartner verschaffen. Interessant ist auch der Vorteil im Erkennen des Satzakzentes. Der Vorteil von Kindern mit Musiktraining dürfte ihnen helfen, aus gesprochener Sprache die wichtigen (und betonten) Elemente auch unter schwierigen akustischen Bedingungen herauszuhören. Was auch wichtig sein könnte ist, dass durch die bessere Hörbildung auch Haupt- und Nebensatz besser als zusammengehörig erkannt werden könnten, so dass der Sinn des Gesamtsatzes effizienter vielleicht auch schneller erkannt wird. Obwohl diese Konsequenzen durchaus plausibel sind, erwarten sie noch weitere Bestätigung durch weiterführende Experimente.
    11.3
    Fremdsprachen und Musik
    Das Lernen einer Fremdsprache ist mit vielen Hindernissen verbunden. Wir sind zunächst mit ungewöhnlichen Zeichenfolgen konfrontiert, wenn wir die fremdsprachigen Texte vor uns sehen. Jede Sprache hat ihre eigenen Zeichenfolgen und Zeichenkombinationen. Markante Unterschiede

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