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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Fähigkeit ab, musikrelevante und sprachrelevante Informationen zu unterscheiden.
    11.4
    Syntax und Semantik
    Musik und Sprache haben noch mehr gemeinsam. Beide sind nach einem Regelsystem konstruiert, nach dem Wörter oder Klänge zu größeren funktionellen Einheiten wie Phrasen (Teilsätze) und Sätzen zusammengefügt werden. Dieses Regelsystem bestimmt auch die Beziehungen einzelner Teile zum Ganzen oder bestimmte Abhängigkeiten innerhalb der sprachlichen und musikalischen Elemente. Diese Regelsysteme sind beim Menschen erlernt, wobei ein großer Teil des erworbenen Wissens durch unbewusste Lernprozesse den Weg ins Gedächtnis gefunden hat. Für die Sprache sind diese unbewussten Lernprozesse mittlerweile recht gut erforscht. Patricia Kuhl aus San Diego hat in einem Übersichtsartikel den Spracherwerb während der ersten ein bis zwei Lebensjahrebeschrieben (Kuhl, 2004). Das Grundprinzip dieses sogenannten statistischen Lernens ist, dass elementare (Sprach-) Reize, die (dem Kind) häufig präsentiert werden, auch mit größerer Wahrscheinlichkeit im Gedächtnis verankert werden. Wahrscheinlich liegt dieser Art des Wissenserwerbs eine Stärkung der synaptischen Verbindungen innerhalb des neuronalen Netzes zu Grunde, wobei die Verbindungsstärke mit der Häufigkeit der Aktivierung zunimmt. Demnach werden Informationen, die dem Nervensystem oft präsentiert werden, neuronal besser verankert als Informationen, die seltener präsentiert werden. Auf diese Art und Weise lernt das Kind unbewusst nicht nur die typischen Lautkombinationen (z.B. die häufigsten Silben) der Muttersprache, sondern wahrscheinlich auch musikalische Reize und häufig vorkommende Rhythmen und Melodien. Allerdings unterscheidet sich der Spracherwerb in einigen Punkten erheblich vom Erlernen von häufig gehörter Musik. Spracherwerb erfordert
Commitment
(etwa: «bindende Verpflichtung»), also ein implizites oder explizites «Bekennen» zu der jeweiligen Sprache. Man erkennt die Bedeutung des Commitments bei Kindern, die aus Einwandererfamilien stammen, welche die Sprache des Gastlandes nicht bzw. schlecht lernen. Wenn kein Commitment für die Sprache des Gastlandes vorliegt, wird diese Sprache auch nicht oder schlechter gelernt. Ähnliche Mechanismen kann man auch bei Dialekten erkennen. Wenn in einer Region Dialekt gesprochen wird und kein intensiver Kontakt zur Standardsprache besteht, wird die Standardsprache nicht gelernt. Es gibt auch Regionen, in denen die Standardsprache abgelehnt wird (also kein Commitment für die vorliegt) und «nur» Dialekt gesprochen wird. Wenn also kein Commitment vorliegt, werden auch die akustischen Eigenarten der Sprache nicht erworben, und das Hörsystem stellt sich nicht auf die spezifischen Lautmuster ein.
    Ã„hnliches «spielt» sich beim Erwerb von Musikkenntnissen ab. Entscheidend ist die Häufigkeit des Musikhörens. Je häufiger bestimmte Musik mit bestimmten akustischen musikalischen Eigenarten gehört wird, desto eher wird sich das Hörsystem auf diese Eigenarten einstellen. Beim bewussten Musiklernen liegt ähnlich wie beim bewussten Spracherwerb ein
Commitment
für eine bestimmte Musikrichtung vor. Auf diese Art und Weise erwirbt das Kind auch schon das elementare Regelwerk der Musik mit hoher Aufmerksamkeit. Durch formales Musiktraining wird dieses Regelwerk weiter verfeinert. Melodien werden aufgrund bestimmter Regeln des Musiksystems (Harmonik) zusammengesetzt. Wenn man eine Zufallsfolge von Noten auf dem Klavier spielt oder siesich vom Computer erzeugen lässt, hört sich das Ergebnis nicht wie typische Musik an. Musik anderer Kulturen unterscheidet sich in ihrer Harmonik lediglich durch die Art des Regelwerks, aber nie dadurch, dass es fehlen würde.
    Musik und Sprache sind beide durch relativ «strenge» Regelsysteme definiert. Doch wenn Musik und Sprache beide auf strengen Regelsystemen basieren, die gewisse Ähnlichkeiten aufweisen, dann müssten doch auch ähnliche neuronale Netzwerke an der Bearbeitung dieser Regeln beteiligt sein. Dies haben Stefan Koelsch und Angela Friederici aus Leipzig im Rahmen von EEG- und fMRT-Experimenten untersucht (Koelsch et al., 2004; Koelsch, 2005). Sie haben den erwachsenen Testpersonen Sequenzen aus fünf Akkorden vorgespielt, die zu einem Schlussakkord führten. Im Grunde entspricht diese Akkordfolge einem gesprochenen Satz, in dem sich die

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