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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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bestehen insbesondere im Klangmuster und der Aussprache der Fremdsprachen. Vielleicht erinnert sich der Leser an die anfänglichen Schwierigkeiten, sich mit den Nasallauten des Französischen vertraut zu machen. Ein anderes schönes Beispiel ist das /th/ im Englischen, welches Deutsche häufig mit unerschütterlicher Beharrlichkeit als /s/ aussprechen. Auch das Verstehen englischer Texte ist mit einigen Problemen verbunden. Selbst wenn man die Standardsprache (z.B. im Englischendas Oxford-Englisch) beherrscht, ist man verwundert, wenn man erstmals einen New Yorker oder einen Liverpooler Englisch sprechen hört. Je nachdem, wie schnell die Sprecher dann sprechen, gelingt es dem noch ungeübten Zuhörer kaum oder nur fragmentarisch, den Lautstrom zu analysieren. Mir geht dies heute noch so, wenn ich so manchem Text englischer Poplieder zuhöre. Oft singen die Popmusiker in ihrer lokal vorherrschenden Dia- oder Soziolektvariante 64 . In dem Fall wird das Verständnis sehr mühsam. Neuere Arbeiten zeigen, dass das akustische Verständnis von Fremdsprachen offenbar auch davon abhängt, wie gut das Gehör durch musikalische Vorbildung trainiert wurde.
    Eine sehr eindrückliche Arbeit, welche einem die praktische Relevanz von Musikerfahrung für das Erlernen von Fremdsprachen offenbart, wurde 2006 von Robert Sleve und Akira Miyake von der San Diego University veröffentlicht (Sleve und Miyake, 2006). Sie untersuchten 50 Japaner, die in den USA leben und dort Englisch gelernt hatten. Als Muttersprache hatten sie Japanisch gelernt und waren durch ihren Aufenthalt in den USA gezwungen, sich die Sprache ihres Gastlandes (Englisch) anzueignen. Die Fähigkeit der Versuchspersonen, sich in der neu gelernten Sprache Englisch auszudrücken und diese zu verstehen, haben die Forscher mittels einer detaillierten Analyse untersucht. Hierbei haben sie die Fähigkeiten im Hinblick auf die
rezeptive
und
produktive Phonologie
sowie den Gebrauch von Syntax und Semantik analysiert. Im Zusammenhang mit der
rezeptiven Phonologie
haben die Autoren untersucht, wie gut die Versuchspersonen Laute und Lautkombinationen der neuen Sprache verstehen und unterscheiden können. Im Hinblick auf die
produktive Phonologie
wurde überprüft, wie gut die Versuchspersonen Laute des Englischen korrekt reproduzieren können. Die Fähigkeit, Laute wahrzunehmen und sie auch zu reproduzieren, haben die Wissenschaftler in verschiedenen Zusammenhängen überprüft; entweder isoliert bezogen auf einzelnen Wörter oder bezogen auf Laute im Zusammenhang mit längeren Satzpassagen, welche die Versuchspersonen zu verstehen oder hervorzubringen hatten. In anderen Versuchsabschnitten stand die Überprüfung des korrekten Gebrauchs der Grammatik und des Wortschatzes im Vordergrund. Neben diesen Sprach- und Sprechtests haben die Autoren die Versuchspersonen auch einen Musiktestbearbeiten lassen, um die grundlegenden musikalischen Fertigkeiten im Umgang mit Tönen, Klängen, Rhythmen und Melodien zu messen. Die mit diesem Test erhobenen musikalischen Leistungen haben die Autoren dann mit den oben kurz skizzierten sprachlichen Leistungen (rezeptive und produktive Phonologie, Grammatik und Wortschatz) in Verbindung gebracht und ein erstaunliches Ergebnis zutage gefördert. Neben den musikalischen Fähigkeiten haben die Autoren auch die Dauer des Aufenthalts in den USA, das Alter zum Zeitpunkt der Übersiedlung in die USA, die Häufigkeit des Gebrauchs des Englischen und das phonologische Arbeitsgedächtnis geprüft. Keine andere Variable beeinflusste die phonologischen Leistungen in der Fremdsprache mehr, als die musikalischen Fertigkeiten. Spontan würde man ja vermuten, dass die Dauer des Aufenthalts oder die Häufigkeit, mit der das Englische angewendet wird, in diesem Kontext wichtigere Variablen wären. Es stellte sich jedoch heraus, dass diese Einflussgrößen vergleichsweise unwichtig waren.
    Anders ausgedrückt belegen diese Befunde, dass jene Versuchsteilnehmer, die gute Leistungen im Musiktest vollbrachten – also bessere Leistungen bei Ton-, Klang-, Rhythmus- und Melodieaufgaben –, auch bessere Leistungen in den phonologischen Aspekten der Fremdsprache erzielten. Sie verstehen die Fremdsprache besser und sind auch bei der Aussprache einer Fremdsprache überlegen. Die Qualität und Leistungsfähigkeit des Hörsystems hängen offenbar gleichermaßen von der

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