Macht Musik schlau?
jeden Sonntag zum Eishockey und am Samstagabend ins Kino. Sie unterscheiden sich lediglich durch einen klitzekleinen Unterschied: Der eine, nennen wir ihn mal Hans, geht drei Stunden die Woche zum Musikunterricht, um die Musiknotation und ein Instrument zu lernen. Während Hans Musikunterricht erhält, liegt der andere, den wir Peter nennen wollen, auf dem Bett und schläft. Diese drei Stunden Zusatzunterricht von Hans bedeuten de facto, dass Hans sein Gedächtnis und die visuellen und auditorischen Wahrnehmungsfähigkeiten trainiert, während Peter schlichtweg nichts macht. Demzufolge könnte man das Musiktraining gelegentlich einfach als zusätzliches Training auffassen. Was wäre, wenn Peter in der Zeit während Hans Musikunterricht genieÃt, sein verbales Gedächtnis trainieren würde, indem er zusätzlich zum Schulunterricht noch Gedichte oder gar Klingonisch 14 lernen würde? Das wäre ein toller Versuch.
4.2
Musikgedächtnis
Ich habe bereits erwähnt, dass Musiker aus der Perspektive eines Laien über ein bemerkenswertes Gedächtnis für Musikstücke verfügen. Bereits junge Konzertmusiker haben ein Repertoire von 10 bis 15 Solokonzerten und sechs oder mehr kleineren Werken. Hinzu kommt natürlich, dass sieüber ein umfangreiches Grundrepertoire von vielen Tonleitern, Etüden 15 und Arpeggi 16 verfügen. Darüber hinaus haben sie ein bemerkenswertes konzeptuelles Wissen über die Musik entwickelt, auf das sie teilweise erstaunlich elegant zurückgreifen können. Was sind die Ursachen für dieses auÃergewöhnliche Expertengedächtnis?
Das Musikgedächtnis unterscheidet sich vom verbalen Gedächtnis in vielerlei Hinsicht. Musik entfaltet sich über die Zeit. Mehrere aufeinanderfolgende Töne (bzw. Klänge) werden mehr oder weniger automatisch nach bestimmten Prinzipien der Gestaltpsychologie 17 zu Klanggruppen zusammengefasst. Meist sind dies nicht mehr als drei bis fünf Töne, die auf diese Art und Weise zu
Motiven
zusammengefasst werden.
Motive
werden ihrerseits zu Gruppen von
Motiven
zusammengeführt, welche wir als
Phrasen
bezeichnen. Diese zeitlichen Ordnungsprinzipien weisen gewisse Ãhnlichkeiten zur Sprache auf, wobei
Motive
in etwa den
Wörtern
und
Phrasen
den
Sätzen
bzw.
Satzteilen
entsprechen. Die einzelnen
Phrasen
werden durch Melodieverläufe und Pausen getrennt, ähnlich wie bei
Sätzen
, die auch durch Betonungsverläufe und Pausen voneinander getrennt werden. Wie bereits angedeutet, erfolgt die Gruppierung der Töne zu
Motiven
und die Gruppierung der
Motive
zu
Phrasen
nach bestimmten biologisch fest verankerten Grundprinzipien: 1.
Das Prinzip der Nähe
, 2. das
Prinzip der Kontinuität
und 3. das
Prinzip der Ãhnlichkeit
. Das
Prinzip der Nähe
wird in der Musik im Wesentlichen durch die zeitliche Nähe der Töne bestimmt. Also wenn drei Töne zeitlich einen engen Bezug zueinander haben und sie nicht durch längere Pausen voneinander getrennt sind, werden diese Töne zu einer Tongruppe, also einem Motiv, zusammengefasst. Das
Prinzip der Kontinuität
wirkt in der Musikpsychologie etwas schwächer, kommt allerdings eindrücklich beim Spielen einer Tonleiter zur Geltung. Werden die ersten fünf Noten einer Tonleiter angeschlagen, dann erwartet unser Gehirn quasi die nächsten drei Töne der entsprechenden Tonleiter. Selbst wenn einerelativ lange Pause zwischen dem fünften und sechsten Ton eingeschoben wird, besteht die Tendenz, den sechsten bis achten Ton den fünf ersten Tönen zuzuordnen. Nach dem
Prinzip der Ãhnlichkeit
werden ähnliche Töne oder Tonfolgen zu
Motiven
zusammengefasst. Nehmen wir einmal an, Sie hören die Töne C und D gefolgt von den Tönen A und B. Diese beiden Tonfolgen werden zu einem
Motiv
zusammengefasst, weil sie trotz unterschiedlichen Tonhöhen jeweils aufsteigende Tonfolgen repräsentieren.
Dieses Gruppieren von Tönen kann man auch als eine Seriell-Parallel-Wandlung auffassen. Die Töne werden «quasi» über die Zeit hinweg gesammelt und zu übergeordneten Einheiten zusammengefasst. Dieser Prozess erfordert ein spezifisches Gedächtnissystem, indem die Klänge für eine bestimmte Zeit im Gedächtnis «gehalten» werden, um dann zu einem übergeordneten Wahrnehmungsereignis zusammengefasst zu werden. Man könnte dieses Gedächtnis gewissermaÃen als ein spezielles Gedächtnis
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