Macht Musik schlau?
man interessierte sich für die unterschiedlichen Leistungen der beiden Hirnhemisphären. Aufgrund dieser Forschungsbemühungen stellte sich unter anderem heraus, dass viele räumliche Verarbeitungsfunktionen eher in der rechten Hemisphäre und insbesondere im Scheitellappen verarbeitet werden. Mit den damaligen Versuchsmethoden konnte auch gezeigt werden, dass eine Reihe von Musikverarbeitungen auch auf der rechten Hemisphäre stattfindet. Dass Musik und Rauminformationen von einer Hemisphäre verarbeitet werden, lieà einige Forscher vermuten, dass professionelle Musiker und musikalisch Geschulte möglicherweise überlappende Hirnbereiche für Musikverarbeitung und die Analyse von Rauminformationen einsetzen. Die Hypothese war recht einfach und hat interessanterweise noch Ausstrahlungswirkung bis heute: Je besser eine Person Musik beherrscht, desto besser sollte sie auch Raumanalysen durchführen können. Die genaue Analyse der Grundfertigkeiten, die viele Musiker beherrschen müssen, ergibt, dass sehr häufig räumliche Zusammenhänge analysiert werden müssen. So kann man nur dann ein Verständnis der Noten entwickeln, wenn man die räumliche Lage der Noten zueinander und in Bezug zu anderen Informationen richtig analysiert. Dies ist etwas anders als bei der Schriftsprache, denn dort sind alle Zeichen mehr oder weniger auf einer Linie angeordnet. Anders ist das bei der Notenschrift. Dort sind die Noten auf unterschiedlichen Linien angeordnet. Hinzu kommt, dass je nachPartitur auch mehrere Notenzeilen simultan gelesen werden müssen. Dies trifft insbesondere für Dirigenten und Komponisten zu. Nicht zu vergessen ist auch, dass Musiker (aber auch Nichtmusiker) «hohe» und «tiefe» Töne implizit mit den räumlichen Positionen «hoch» und «tief» in Verbindung bringen. SchlieÃlich darf nicht auÃer Acht gelassen werden, dass das Musizieren Bewegungen erfordert, die im Hinblick auf den raumzeitlichen Ablauf präzise gestaltet sein müssen. So erzeugt der Pianist mit seinen Händen und Fingern einen raumzeitlichen Ablauf von Bewegungen. Sehr eindrücklich erkennt man diese raumzeitliche Koordination beim Geigen, indem man sich die Bogenführung während des Spiels genau anschaut. Dies sind teilweise recht komplexe Bewegungsmuster, die im Raum bewerkstelligt werden, wobei die Komplexität und Genauigkeit mit zunehmender Ãbung erheblich zunimmt.
In diesem Zusammenhang wurde auch die These geäuÃert, dass herausragende Musikbegabung oder gar musikalische Genialität mit einer gewissen Rechtslastigkeit der Verarbeitung im Gehirn verbunden sei. Damit ist gemeint, dass besonders begabte Musiker dadurch auffallen würden, dass sie viele psychologische Prozesse eher rechtshemisphärisch und hier besonders im rechtsseitigen Scheitellappen verarbeiten würden.
In Deutschland waren es vor allem Marianne Hassler und Nils Birbaumer aus Tübingen, die sich zuerst diesem Themenkomplex widmeten. Die beiden Wissenschaftler haben 1985 Kinder zwischen 9 und 14 Jahren mit unterschiedlicher Musikerfahrung untersucht (Hassler und Birbaumer, 1985). Diese Kinder wurden per Zufall auf drei Gruppen von jeweils 40 Personen verteilt:
1.   musikalisch begabte Kinder, die improvisieren und komponieren können;
2.   musikalisch begabte Kinder, die nicht improvisieren und komponieren können;
3.   Kinder ohne musikalische Kenntnisse.
Diese drei Gruppen unterschieden sich deutlich hinsichtlich ihrer Sprachflüssigkeit sowie mit Hinsicht auf ihr visuelles Vorstellungsvermögen, wobei die musikalisch begabten Kinder besser abschnitten als die Kinder ohne musikalische Begabung. Hinsichtlich der Fähigkeit, räumliche Aspekte zu analysieren, unterschieden sich die drei Gruppen nicht voneinander. Zwei Jahre später haben die gleichen Autoren eine Nachfolgeuntersuchung publiziert (Hassler und Birbaumer, 1987). In dieserArbeit offenbarten sich überlegene Leistungen für Kinder mit musikalischen Fertigkeiten in allen drei psychischen Funktionsbereichen und insbesondere in den räumlichen Analysefunktionen. Offenbar scheint Musiktraining bzw. Erfahrung im Umgang mit Musik unter anderem räumlich-visuelle Fähigkeiten zu fördern. Interessant ist allerdings, dass die Kinder der Gruppen 1 und 2, die ja beide Musiktraining erfahren hatten (allerdings in unterschiedlicher Ausprägung), sich
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