Macht Musik schlau?
Standdardtons von 440 Hz (Kammerton /aâ/) noch einen Frequenzunterschied von rund 0,7 Hz erkennen können. Nichtmusiker erkennen bei einem Standardton von 440 Hz einen Frequenzunterschied zum Vergleichsreiz von rund 3,9 Hz.Der Unterschied zwischen den Musikern und Nichtmusikern im Hinblick auf die Tonhöhenunterscheidung wird bei komplexen Tönen (Grundtöne plus mehrere Obertöne) deutlich gröÃer. Interessant ist, dass die Tonhöhenwahrnehmungsschwelle bei professionellen Musikern durch weiteres Training der Tonhöhenunterscheidung nicht mehr zu verbessern ist, während die Trainingserfolge bei Nichtmusikern enorm sind. Ein 14-stündiges Tonhöhendiskriminationstraining führt bei Nichtmusikern zu einer deutlichen Verbesserung dieser Wahrnehmungsleistung, die dem unteren Leistungsniveau von Profimusikern ähnelt (von 0,9 % auf 0,2 bis 0,3 %). Musiker haben offenbar bereits die beste Unterscheidungsfähigkeit im Hinblick auf die Tonhöhenwahrnehmung erreicht, während Nichtmusiker diesbezüglich nach oben noch ausreichend Spielraum haben. Musiker können nicht nur die Grundtonfrequenz, also die Tonhöhen von zwei Tönen auseinanderhalten, sondern können auch mehr feine Frequenzveränderungen einzelner Obertöne heraushören als Nichtmusiker. AuÃerdem sind Musiker schneller: Kleinste Frequenzunterschiede, die auch Nichtmusiker noch wahrnehmen, erkennen Musiker schneller als Nichtmusiker (Koelsch, Schroger und Tervaniemi, 1999; Tervaniemi et al., 2006a).
Es sind noch andere markante Unterschiede im Hinblick auf die Tonhöhenwahrnehmung zwischen Musikern und Nichtmusikern feststellbar, welche im Folgenden dargestellt werden. Allerdings soll an dieser Stelle bereits darauf hingewiesen werden, dass nicht nur Unterschiede in der Wahrnehmungsleistung von musikrelevanten Reizen zwischen Musikern und Nichtmusikern bestehen, sondern auch Unterschiede zwischen den Musikern, je nachdem, welche Strategien sie bei der Musikwahrnehmung einsetzen, welche Musikausbildung sie genossen haben, welche Musik sie spielen (Rock, Pop, Jazz oder Klassik) und insbesondere wie häufig sie die entsprechende Musik gehört bzw. trainiert haben.
Musiker unterscheiden sich von Nichtmusikern insbesondere bei der Wahrnehmung der Klangfarbe von Tönen. Die Klangfarbe (auch: das Timbre) eines Klanges wird durch das Schallspektrum des jeweiligen Klangs bestimmt, also das spezifische Gemisch aus Grundton, Obertönen, Rauschanteilen usw., sowie den zeitlichen Verlauf des Spektrums und der Lautstärke. Der Grundton bestimmt die wahrgenommene Tonhöhe eines Klangs (s. o.). Der Kammerton /aâ/ beispielsweise ist definiert durch die Grundfrequenz von 440 Hz. Allerdings kommen reine Töne mit nur einer Frequenz oder einem Grundton in der Natur und in der Musik praktisch nie vor. In der Regel werden Klänge verwendet underzeugt, die aus einem Grundton und passenden Obertönen aufgebaut sind. Bei harmonischen Klängen machen die Obertöne ein Vielfaches des jeweiligen Grundtones aus. Bei einem Grundton von 440 Hz hat der 1. Oberton eine Frequenz von 880 Hz (2 x Grundton), der 2. Oberton eine Frequenz von 1320 Hz (3 x Grundton). Alle weiteren Obertöne berechnen sich nach dieser Logik. Die unterschiedlichen Musikinstrumente erzeugen Klänge gleicher Tonhöhe (also mit gleichem Grundton) mit jeweils unterschiedlichen Obertönen. Die Obertonkombination kann auch recht kompliziert sein, mit Obertönen, die fehlen, oder Obertönen mit starker oder schwacher Energie. Zu den jeweiligen Obertonkonstruktionen können auch noch Rauschanteile hinzugemischt sein. Wichtig ist auch, wie sich der Grundton und die jeweiligen Obertöne zeitlich entwickeln (Einschwingverhalten). Jedes Instrument erzeugt Klänge mit einer unterschiedlichen Klangfarbe, auch wenn die jeweiligen Grundtöne völlig identisch sind (s. Abb. 33 ). Musiker sind durch jahrelanges Training an den Klang ihrer eigenen Instrumente gewöhnt. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass ein Musiker besonders gut die Klangfarbe seines eigenen Instrumentes erkennt und sogar im Gedächtnis behält. Er kann sogar den Kammerton /aâ/ seines eigenen Instrumentes im Gedächtnis behalten und durch Intervallbildung weitere Töne erkennen.
Dieses Phänomen habe ich in den letzten 14 Jahren mehrere hundert Male erlebt. Ich bin nämlich ständig auf der Suche nach Musikern, welche die
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