Macht Musik schlau?
nicht vorhanden.
Warum Absoluthörer jedoch automatisch und praktisch mühelos Töne und Klänge benennen können, ist trotz aller Forschungsbemühungen bis zum heutigen Tag noch weitgehend ungeklärt. Die Tatsache, das Töne in bestimmten Frequenzbereichen bestimmten Wörtern zugeordnet werden, deutet darauf hin, dass zumindest ein bestimmter Teil des absoluten Gehörs antrainiert ist. Denn die Wörter erwirbt man ja erst mit dem Erlernen der Sprache. Im Rahmen einiger neuer Untersuchungen 27 , die meine Arbeitsgruppe durchgeführt hat, konnten wir feststellen, dass der linksseitige
Fasciculus arcuatus
(ein Faserstrang, der das linksseitige Sprachwahrnehmungsareal mit den Sprachzentren des Stirnhirns verbindet) bei absolut Hörenden dicker ist. Wahrscheinlich tauschen sie über diesen Faserstrang die Ton- und Sprachinformationen aus. Wahrscheinlich ist bei absolut Hörenden das bei allen Menschen mehr oder weniger gut ausgeprägte «Tongedächtnis» mit einem «Tonbenennungsmechanismus» gekoppelt. Das Tongedächtnis wäre demzufolge eher im Bereich des sekundären auditorischen Kortex anzusiedeln, während der Benennungsmechanismus wahrscheinlich im Stirnhirn lokalisiert ist (s. Abb. 39 ).
Abbildung 39: Hirnstrukturen, die mit groÃer Wahrscheinlichkeit an der Kontrolle des absoluten Gehörs beteiligt sind: (1) dorsolateraler Frontalkortex (oberer Teil des Stirnhirns); (2) posteriorer Teil des Hörkortex (Planum temporale und Gyrus supramarginalis). Dieses Netzwerk ist vorwiegend in der linken Hirnhälfte lokalisiert.
AbschlieÃende Bemerkungen zum absoluten Gehör
Das absolute Gehör ist eine Fähigkeit, welche immer im Zusammenhang mit musikalischen Fertigkeiten erwähnt wird. Gerade Musikstudenten wünschen sich häufig, das absolute Gehör zu besitzen, weil Absoluthörer bei theoretischen Musikprüfungen immer im Vorteil sind, denn mit dem absoluten Gehör gelingt es ihnen quasi automatisch und ohne groÃe Mühe, Töne, Klänge oder Melodien zu erkennen und relativ einfach nachzuvollziehen. Es gilt jedoch zu bedenken, dass absolut Hörende, trotz des Vorteils, den sie in dieser Phase der Musikausbildung genieÃen, im Zusammenhang mit dem Musizieren (zumindest für das Musiksystem der westlichen Kultur) im Nachteil sind. Hier kann das absolute Gehör auch irritierend sein. Denn mit dem absoluten Gehör alleine kann ein Hörer beispielsweise nicht erkennen, dass «Alle meine Entchen» in zwei verschiedenen Tonarten gesungen dasselbe Lied ist. Um diese beiden Versionen eines Liedes als ein Lied zu verstehen, benötigt man ein gut ausgebildetes relatives Gehör, das nur die Relation der Töne zueinander und nicht ihre absolute Höhe berücksichtigt. Im Rahmen unserer Musik ist es demzufolge vor allem wichtig, Tonintervalle zu verstehen und wahrzunehmen. Dies ist vor allem für Orchestermusiker wichtig, denn die Musiker müssen sich auf unterschiedliche Instrumente einstellen. Manche dieser Instrumente sind gar nicht absolut stimmbar. Einige wissenschaftliche Untersuchungen konnten sogar belegen, dass absolut Hörende beim Transponieren den Relativhörern deutlich unterlegen sind (Miyazaki, 1995).
Aufgrund des groÃen Bedürfnisses, über das absolute Gehör zu verfügen, das viele Musikstudenten verspüren, sind etliche Trainingsprogrammen entwickelt worden, die angeblich geeignet sind, sich das absolute Gehör anzutrainieren. So werden auf verschiedenen Internetseiten Softwareprogramme zum Training angeboten (z.B. http://www.gehoerbildung.com/ ). Man muss jedoch festhalten, dass bislang noch keine seriöse wissenschaftliche Arbeit publiziert worden ist, in der nachgewiesen würde, dass bei Erwachsenen das absolute Gehör dauerhaft antrainiert werden konnte.
SchlieÃlich soll noch erwähnt werden, dass sich das absolute Gehör mit zunehmendem Alter leicht verändert. Dies konnten kalifornische Wissenschaftler kürzlich in einer interessanten Studie nachweisen (Athos et al., 2007) (diese Studie wurde bereits im Zusammenhang mit der Diskussion über die möglichen Ursachen des absoluten Gehörs ausführlich besprochen, vgl. S. 183). Sie machen dafür eine höhere Elastizitätder Basilarmembran im Innenohr verantwortlich. Bei dem in dieser Studie verwendeten Test zur Ãberprüfung des absoluten Gehörs zeigte sich, dass mit zunehmendem Alter
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