Macht Musik schlau?
unterschiedliche Befunde, die teilweise einen weiten Interpretationsspielraum ermöglichen. Wir können nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass jede Form der Hintergrundmusik bei allen Menschen zujeder Tages- und Nachtzeit förderliche oder nachteilige Einflüsse auf das Lernen und das Gedächtnis oder andere Tätigkeiten entfaltet. Die Sachlage ist viel komplizierter und bedarf einer behutsamen Erläuterung.
Man darf bei dieser Diskussion auch nicht vergessen, dass sich die Art und Häufigkeit des Musikhörens in den letzten zehn Jahren erheblich verändert haben. Man könnte sogar von einer Revolution im Umgang mit der Musik sprechen. Musik ist mittlerweile überall und zu jeder Zeit verfügbar und präsent: iPod® und andere MP3-Player begleiten uns in den öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Joggen und beim Einkaufen. Selbst wenn wir diese kleinen Geräte nicht bei uns tragen, werden wir in den Geschäften, auf Flughäfen, in Hotels, in Krankenhäusern und in Restaurants mit Musik eingedeckt. Insofern ist es wichtig, sich mit den Einflüssen von passivem Hören auf das menschliche Leben und die Leistungsfähigkeit in verschiedenen Bereichen auseinanderzusetzen. Hierbei müssen unbedingt die individuellen kognitiven Unterschiede zwischen den Menschen, aber insbesondere auch die sozialen, alters- und bildungsbezogenen Unterschiede berücksichtigt werden. Neben dieser eher differenzierten Diskussion bezüglich der Wirkung von passivem Musikhören existiert noch eine Diskussionsebene, auf der die förderlichen Effekte des passiven Musikhörens im Vordergrund stehen. Dies wird insbesondere von Anhängern der Suggestopädie sowie allen Gruppierungen, die sich dem Thema
Accelerated Learning
(gesteigertes Lernen) verschrieben haben, oder von ähnlichen Organisationen thematisiert.
Gerade zu dem Themenbereich des Accelerative Learning existieren eine Unmenge von Internetseiten und Publikationen, in denen die Musik als lernförderndes Element gefeiert wird. Der Blick ins Internet lässt erkennen, dass sich auf dem Gebiet «Musik und Lernen» viele «Fachleute» tummeln, die viel versprechen und viel über dieses Thema zu berichten haben, leider ohne dass zu ihren Aussagen substanzielle wissenschaftliche Grundlagen vorliegen. Interessant ist vor allem, dass es offenbar Protagonisten und eigens für diesen Zweck spezialisierte Lerninstitute gibt, die der Ãberzeugung zu sein scheinen, dass Musikhören (zumindest bestimmte Musik) grundsätzlich das Lernen verbessern würde. Repräsentativ und interessant ist eine Webseite ( http://www.cerebromente.org.br/n15/mente/musica.html ), die ich eigentlich per Zufall fand. Auf dieser Seite werden verschiedene Thesen über die Wirkung von Musik auf das Lernen vertreten, ohne dass konkrete Belege angegeben werden. Die Verfasser dieser Webseite haben offenbar eine gewisse Nähe zur Suggestopädie (s. unten) oder verwandtenBewegungen. Hierzu erlaube ich mir folgendes Zitat aus dieser Webseite zu zitieren: «The power of music to affect memory is quite intriguing. Mozartâs music and baroque music, with a 60 beats per minute beat pattern, activate the left and right brain. The simultaneous left and right brain action maximizes learning and retention of information. The information being studied activates the left brain while the music activates the right brain. Also, activities which engage both sides of the brain at the same time, such as playing an instrument or singing, cause the brain to be more capable of processing information.» Offenbar sind die Autoren dieser Webseite der Ansicht, dass insbesondere Barockmusik über einen besonderen Rhythmus (60 Taktschläge pro Minute gleich 1 Hz) simultan beide Hirnhemisphären aktivieren würde. Die klare (aber trügerische) Botschaft ist, dass man während (oder nach) dem Hören von Barockmusik z.B. besser Vokabeln lernen könne. Der Grund dafür sei die durch das Hören der Barockmusik evozierte bihemisphärische Aktivierung, welche das Lernen grundsätzlich fördere. Das mag korrekt sein, aber es ist meines Wissens bislang noch gar nicht seriös erforscht worden. Auch sind die hier angesprochenen neurophysiologischen Mechanismen viel zu einfach, um der immensen Komplexität des menschlichen Gehirns gerecht zu werden. So einfach wie manchmal dargestellt funktioniert unser Gehirn einfach nicht. Die einzelnen
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