Macht Musik schlau?
ihm ein Lernen in einer völlig neuen Form zu ermöglichen. In dieser Phase kommt â in der Regel klassische oder barocke â Musik ins Spiel. Hierbei kann man der Musik zuhören oder auch selbst Musik spielen. Im Rahmen der «Desuggestion» suggeriert der Lehrer dem Lerner, dass er von dessen Lernerfolg überzeugt sei.Hierdurch sollen insbesondere die Lernbarrieren des Lerners überwunden werden. Neben der Musik, die quasi als Katalysator für die Langzeitspeicherung von Wissen eingesetzt wird (als besonders geeignet gilt Barockmusik: Händels «Wassermusik», oder Largo-Sätze von Bach oder Vivaldi), wird noch eine Reihe von weiteren Kernelementen eingesetzt, auf die an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann. 28
Im Grunde werden im Rahmen dieser Methode einige bekannte Erkenntnisse der Lern-und Gedächtnispsychologie kombiniert. Im Wesentlichen sind dies jene Elemente, mit denen das Gelernte mehrdimensional mit anderen Informationen gekoppelt wird. Es ist nämlich bekannt, dass die Gedächtnisstärke eines zu lernenden Elementes (z.B. einer Vokabel) in Abhängigkeit der mit diesem Element gekoppelten Informationen zunimmt. Dies kann durchaus mit der Suggestopädie erreicht werden. Insofern weisen die Kritiker der Methode zu Recht darauf hin, dass suggestopädische Lehrmaterialien und -strategien häufig aus der Lern-und Gedächtnisforschung bekannte Effekte (z.B. Entspannungstechniken oder der als Pygmalion-Effekt bekannte Glaube des Lehrers an den Erfolg des Schülers) übernehmen. Insofern ist nicht alles neu, sondern nur neu kombiniert. Ungewöhnlich sind die strikten Vorgaben bezüglich der Abfolgen der einzelnen Lernelemente. Aber dies soll nicht Gegenstand des vorliegenden Kapitels sein. Ãberzogen sind allerdings die ungewöhnlichen Lernversprechen, die von den Protagonisten und insbesondere vom Gründer dieser «Bewegung» verbreitet werden. Damitist nicht gesagt, dass die einzelnen didaktischen und methodischen Konzepte grundsätzlich sinnlos, unbegründet und wirkungslos sind. Hauptkritikpunkt an der Suggestopädie ist vielmehr ihre Pseudowissenschaftlichkeit. Von den Vertretern des Ansatzes wird nämlich der Anschein der Einhaltung wissenschaftlicher Standards erweckt, ohne dass dies wirklich der Fall wäre. Es existieren derzeit einige Untersuchungen, welche die Wirksamkeit der Suggestopädie unabhängig untersucht haben. Diese Untersuchungen haben ernüchternde Befunde zutage gefördert (Lukesch, 2000). Eine Studie mit etwas positiverem Ausgang (wenn auch nicht vollumfänglich bestätigend) hat die Universität Klagenfurt durchgeführt (zitiert nach dem Wikipedia-Eintrag «Suggestopädie»). Die Autoren konstatieren unter anderem, dass die mit der Suggestopädie unterrichteten Schüler ein gutes Hörverständnis und eine gute Aussprache aufwiesen. Des Weiteren konnten die Untersucher eine anhaltend gute Lernmotivation der Schüler feststellen (was ja gut ist), aber einzelne Elemente, wie z.B. die Musik, schnitten dabei eher schlecht ab. Der Berliner Philologe Ludger Schiffler (der offenbar der Suggestopädie gegenüber positiv eingestellt ist) hat in einer seiner Arbeiten durchaus positive Effekte suggestopädischer Lernmittel im Fremdsprachenunterricht feststellen können (Schiffler, 1989). Andere Untersuchungen auÃerhalb des Fremdsprachenunterrichts, nämlich bei der Vermittlung erziehungswissenschaftlicher Inhalte, haben keine eindeutigen, zumindest keine positiven Ergebnisse zutage gefördert. In seiner Gesamtbewertung kommt der renommierte deutsche Psychologieprofessor Helmut Lukesch (Lukesch, 2000) zu dem Schluss, dass die meisten Untersuchungen im Unterschied zu den Versprechungen von Losanow eigentlich ernüchternd ausfielen. Allerdings bleibt zu bemerken, dass das subjektive Wohlbefinden der Seminarteilnehmer, die selbst mit der Erarbeitung des Lernstoffes und der kreativen Verbindung zu ihrem eigenen Lernzugang und mit den gruppendynamischen Prozessen befasst waren, dennoch mehrheitlich höher als in konventionellen Unterrichtsformen war.
Ein besonderes Problem dieser Methode stellen â wie bereits angedeutet â die spektakulären Ergebnisse einiger Experimente dar (mehrere 100 bis 1000 Vokabeln in wenigen Stunden; Hypermnesie 29 ). DieseErgebnisse haben zweifellos zur Bekanntheit und zum Renommee der Suggestopädie beigetragen. Denn wer
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