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Macht Musik schlau?

Macht Musik schlau?

Titel: Macht Musik schlau? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Jäncke
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Hirngebiete interagieren auf komplexe, bis heute kaum verstandene Art und Weise miteinander. Was wir derzeit wissen, ist, dass das menschliche Gehirn wie ein nichtlineares dynamisches System agiert. Ohne an dieser Stelle zu kompliziert zu werden, bedeutet dies, dass einfache hirnphysiologische Erklärungsmodelle – wie oben – grundsätzlich falsch sind. Weiter wird auf dieser Webseite ein spektakulärer Befund berichtet: «According to The Center for New Discoveries in Learning [offenbar ein kommerzielles Lerninstitut; Anm. d. Verf.], learning potential can be increased a minimum of five times by using this 60 beats per minute music. For example, the ancient Greeks sang their dramas because they understood how music could help them remember more easily. A renowned Bulgarian psychologist, Dr. George Lozanov [Georgi Losanow, s. Abschnitt 5.1., S. 201 in diesem Buch; Anm. d. Verf.], designed a way to teach foreign languages in a fraction of the normal learning time. Using his system, students could learn up to one half of the vocabulary and phrases for the whole school term (which amounts to almost 1,000 words or phrases) in one day. Along with this, the average retention rate of his students was 92 %. Dr. Lozanov’s system involved using certain classical music pieces fromthe baroque period which have around a 60 beats per minute pattern. He has proven that foreign languages can be learned with 85–100 % efficiency in only thirty days by using these baroque pieces. His students had a recall accuracy rate of almost 100 % even after not reviewing the material for four years.»
    Leider ist dieses Zitat recht lang, aber ich halte es für wichtig, auf die Art dieser Mitteilung hinzuweisen. Hier wird berichtet, dass Schüler mittels einer bestimmten Lerntechnik, in der klassische Musik zur Anwendung kommt, Fremdsprachen in extrem kurzer Zeit lernen würden. Es werden sogar Mengenangaben gemacht. Schüler sollten den Fremdsprachenstoff eines Schuljahres schon innerhalb eines einzigen Tages bewältigen. Interessant ist auch die Aussage, dass die Erinnerungsrate der Schüler sogar nach vier Jahren nahezu 100 % betrage. Das wäre in der Tat sensationell, wenn dies tatsächlich der Wahrheit entsprechen würde. Mir sind jedoch keine in seriösen wissenschaftlichen Zeitschriften publizierten Arbeiten bekannt, die diesen enormen Lernerfolg (durch Barockmusik begleitet oder initiiert) belegen würden. Wie auch immer: Wie sieht die objektive Datenlage bezüglich der Wirkung des Musikhörens auf das Lernen und das Gedächtnis nun wirklich aus?
    Wie in den Kapiteln 3 und 4 bereits besprochen, wird die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten wesentlich durch die Qualität der wissenschaftlichen Zeitschrift, in der die entsprechende Arbeit publiziert ist, mitbestimmt. Werden demzufolge wissenschaftliche Arbeiten in weniger angesehenen Zeitschriften publiziert, fragt man sich spontan, warum sie, wenn sie doch gut sein sollen, nicht in angeseheneren Zeitschriften publiziert wurden. Leider sind die meisten Arbeiten, die sich dem Thema dieses Kapitels widmen, in eher weniger angesehenen Zeitschriften publiziert worden. Einige Arbeiten, die ich fand, sind sogar gar nicht in Zeitschriften publiziert worden und nur als Doktor- oder Masterarbeiten erhältlich. Damit ich nicht falsch verstanden werde: Dies soll nicht bedeuten, dass solche Arbeiten grundsätzlich als wertlos zu betrachten sind. Aber man muss diesen Punkt trotz allem bei der Gesamtbewertung berücksichtigen. Ein weiteres Problem vieler dieser Arbeiten ist, dass sie oft keine experimentellen Designs verwendet haben, die eindeutige Interpretationen zulassen. In den meisten Arbeiten werden z.B. nur zwei Versuchsgruppen verwendet (eine Gruppe lernt irgendetwas ohne Musik im Hintergrund, während die Versuchsgruppe irgendetwas mit Musik im Hintergrund lernt). Solche Versuchspläne sind eigentlich nicht aussagekräftig, da man mögliche Gruppenunterschiede nicht zweifelsfrei aufdas Musikhören zurückführen kann. Es kann auch sein, dass alleine die Zusatzstimulation unspezifische Wirkung entfaltet (Aktivierung, Stimmungsaufhellung). Oft unberücksichtigt bleibt auch die emotionale Wirkung der Musik. Musik, die einem gefällt, wird eine andere Wirkung entfalten, als Musik, die einem nicht gefällt. Gleiches gilt für stimulierende und beruhigende Musik. Andere oft unberücksichtigte Einflussgrößen

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