Macht Musik schlau?
möchte nicht in so kurzer Zeit so viele Informationen lernen? Möglicherweise war dies auch der Grund, weshalb diese Methode anfänglich durch die UNESCO unterstützt wurde. In einer Replikationsstudie konnte Ludger Schiffler unter Verwendung experimenteller Kontrollgruppen, die bei Losanow fehlten, die extremen Lernerfolge jedoch nicht replizieren. Nur einige wenige Probanden zeigten auÃergewöhnlich gute Lernleistungen (Schiffler, 2002). Obwohl diese Diskrepanz zwischen den Befunden von Losanow und Schiffler durchaus als kritisch angesehen werden kann, muss darauf hingewiesen werden, dass in sehr gut kontrollierten Gedächtnisexperimenten, die von Gedächtnispsychologen mit Weltruf durchgeführt wurden, ebenfalls von sensationellen Gedächtnisleistungen berichtet wurde. So hat z.B. der schwedische Psychologe Timo Mäntylä 1986 einen spektakulären Befund publiziert, wonach die Lernleistung für das Lernen von 600 Wörtern von knapp 6 % auf 90 % zunehmen kann, wenn die Lernenden angehalten werden, zu jedem zu lernenden Wort drei Assoziationen zu bilden (Mäntylä, 1986). Das ist eine ungeheure Zunahme der Lernleistung. Allerdings ist dies ein seriöser Versuch, der mehrfach repliziert wurde. Der hier offengelegte Mechanismus wird weiter unten noch näher erläutert. Interessant ist jedoch, dass diese bemerkenswerte Gedächtnissteigerung im Alltag (z.B. mit Kindern im Schulalltag) in der Regel nicht erreicht wird. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass im Alltag ganz andere Voraussetzungen vorhanden sind. Man steht unter Zeitdruck, denkt vorwiegend oder unterschwellig an andere Dinge, oder ist einfach weniger motiviert. Vor allem Kinder sehen keinen Sinn darin, Vokabeln beim Lernen noch mit mehreren anderen Aspekten zu koppeln. Das ist ihnen einfach zu mühsam. Unter solchen Bedingungen sind die Lernleistungen erheblich schlechter als unter experimentellen Laborbedingungen. Deshalb sollte man bei der Bewertung der Lerneffekte immer die unterschiedlichen Lernbedingungen berücksichtigen. Es können auch Diskrepanzen zwischen seriösen Befunden und im Alltag angetroffenen Lernleistungen auftreten. Wesentlich ist aber, dass der Mäntylä-Befund bei geeigneter Versuchsanordung immer wieder repliziertwerden kann bzw. konnte. Eine Replikation ungeheurer Lernleistungen durch Suggestopädie ist mir dagegen nicht bekannt.
Das gröÃte Problem ist m. E., dass die Suggestopädie, aber auch ihre Abwandlungen häufig allzu leichtfertig quasi als werbewirksamen Anknüpfungspunkt vermeintliche neuropsychologische Grundlagen thematisieren. Da wurde z.B. bereits in der Anfangszeit der Suggestopädie behauptet, dass das Hören von Barockmusik ein typisches beidseitiges Hirnaktivierungsmuster hervorrufe, das letztlich für das Lernen z.B. von Vokabeln eine günstige Voraussetzung schaffe. Diese Behauptung wurde in dieser simplen, ja sogar naiven Art und Weise bereits in den 1960er-Jahren als Ursache für den Erfolg der Suggestopädie propagiert â zu einer Zeit, in der noch gar keine weitreichenden Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen Hirnaktivierung und Musikwahrnehmung vorlagen. 30 Es fällt auch auf, dass immer wieder seriöse wissenschaftliche Arbeiten, die eigentlich gar keinen Bezug zur Suggestopädie haben, auf den Internetseiten suggestopädischer Gesellschaften auftauchen. Wie der Psychologe Lukesch korrekt anmerkt, ist es bedauernswert, dass diese Pseudowissenschaften «
einen Bruch mit dem wissenschaftlichen Erbe»
darstellen. Denn sie verzichten «
auf scharfe Tests der Behauptungen»
(Lukesch, 2000). Wie Lukesch weiter ausführt «
werden positive Beispiele herausgegriffen, negative übersehen oder durch Ad-hoc-Hypothesen weg zu erklären versucht, und die Aussagen sind zum GroÃteil auch nicht testbar; Pseudowissenschaft fehlt schlieÃlich der Selbstkorrekturmechanismus der Wissenschaft, Pseudowissenschaft lernt nicht von neuen Erfahrungen. Weit verbreitet ist zudem Mimikry: Innerhalb eines Eingeweihtenkreises werden Methoden nachgebildet, die dem Wissenschaftssystem ähneln, z. B. Veröffentlichung von Büchern, Herausgabe von Zeitschriften, Veranstaltung von Tagungen, Gründung von Fachgesellschaften, Erlass von Ausbildungsrichtlinien etc.; System hat auch die Methode, sich über Literaturverweise einen äuÃerlichen Anstrich an Wissenschaftlichkeit zu verleihen. Dabei können in den
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