Macht nichts, Darling
ärztliche Behandlung. Nun aber zu unserer Bankangelegenheit. Hier ist der Kontoauszug. Siehst du eine Möglichkeit, das Defizit zu verringern?«
Sally fuhr sich zerstreut mit allen fünf Fingern durchs Haar und sah hilfeflehend zu Matthew.
»Wollten wir nicht diese Woche ein paar Kühe zur Versteigerung schicken, Matt? Da müßte doch jede ungefähr fünfunddreißig Pfund bringen.«
»Höchstens fünfundzwanzig«, sagte Matthew mit solcher Grabesstimme, daß Sally lachte.
»Also sagen wir dreißig. Matts und meine Voraussagen treffen sich meistens in der Mitte. Den Auktionserlös kann die Bank dann jedenfalls haben.«
»Und wovon leben wir, bis die Wolle verkauft ist?« fragte Matthew. »Dein Anhang braucht eine ganze Menge Futter. Nichts gegen Archie, der sorgt wenigstens mit dafür. Aber der alte Bastard stopft sich nur voll und bringt nie was.«
»Aber Matthew, du kannst doch Vaters Onkel nicht Bastard nennen«, protestierte Sally schwach, worauf Matthew knurrte, mit der Blutsverwandtschaft wäre etwas faul, denn die beiden ähnelten sich so wie er, Matt, und die Königin von England.
Hugh überhörte diese phantasievolle Anspielung und sagte: »Auf jeden Fall wird der Haushalt für dich immer kostspieliger. Dieser Matrose trinkt wahrscheinlich auch? Die meisten Seeleute trinken.«
Sally war sofort in Harnisch. »Zum Abendessen trinkt er eine Flasche Bier, und die bezahlt er selbst. Du brauchst dem Bankdirektor also nicht zu erzählen, daß wir hier Orgien feiern!«
Matthew zog die Brauen zusammen. Das war keine Art, mit einem gutsituierten Verehrer zu sprechen. Er suchte zu vermitteln. »Arch ist kein Schnorrer. Er bringt immer Lebensmittel ins Haus und greift überall mit zu. Jetzt baut er was im Garten, einen Pawilljong oder so was... Muß irgendein heidnisches Wort sein, das er auf seinen Reisen aufgeschnappt hat.«
Hugh hatte keine Zeit, sich näher zu informieren, denn die Tür öffnete sich, und Onkel Aloysius’ hagere Gestalt erschien auf der Schwelle. Ohne ein Wort der Entschuldigung unterbrach er die Konferenz mit einer persönlichen Beschwerde: »Archie sagt, die Milch ist knapp. Heißt das etwa, daß das kleine Volk heute nacht nichts bekommen soll?«
Hugh starrte ihn verdutzt an, während Sally in heiterem Ton antwortete: »Oh, für das kleine Volk wird’s schon reichen. Stell die Elfennäpfchen nur schon hinaus«, worauf der Alte sich sogar zu einem kurzen Dank herabließ und wieder verschwand.
»Meine liebe Sally«, sagte Hugh, »wenn das nicht der erste Schritt zum Irrenhaus ist... Milch für die Elfen! Der alte Herr sollte wirklich in Gewahrsam genommen werden.«
»Ach wo. Er hat sonst noch alle beisammen, sehr sogar — bis auf diese einzige fixe Idee. Laß ihn doch. Der Gedanke macht ihn glücklich, daß die Elfen nachts kommen und die Milchnäpfchen austrinken.«
»Und wer trinkt sie aus? Dein Kater vermutlich?«
»O nein. Jeremias rührt keine Milch an. Es sind die Igel. Ich höre sie nachts schmatzen. Glücklicherweise geht Onkel Aloysius’ Fenster nach der anderen Seite.«
»Grundgütiger Himmel!« murmelte Hugh mit einem Schauder, den Matthew ihm aus tiefstem Herzen nachfühlen konnte. Aber zugleich wurde auch Hughs Mitleid rege. Die arme Sally — warum mußte ihr der Himmel diesen gräßlichen alten Irren und diesen nichtsnutzigen Matrosen aufhalsen? Sie hatte auch ohne das genug Sorgen. »Also, was das Bankdefizit betrifft«, kam er in freundlichem Ton wieder zur Sache, »so würden hundert Pfund einstweilen genügen, falls ihr sie nach dem Verkauf der Kühe erübrigen könnt. Ich werde noch einmal mit dem Bankdirektor reden. Er sagte mir schon, du würdest ja alle Schulden begleichen, wenn die Farm verkauft ist.«
»Wenn«, wiederholte Sally gedehnt. »Wenn es nur nicht so lange dauerte! Neulich hat Mr. Ford uns einen Interessenten geschickt, aber das kennen wir schon: Sie kommen und sind >interessiert<, und dann lassen sie nie wieder von sich hören. Allmählich kriege ich das Gefühl, es... es wird nie etwas.«
Matthew und Hugh sahen sie erschrocken an. Dieser Pessimismus klang so wenig nach Sally, daß beide wie aus einem Munde Einspruch erhoben. »Nur den Schwanz nicht hängen lassen!« sagte Matthew, während Hugh dasselbe feiner mit »Kopf hoch, Sally!« ausdrückte. Er hatte sie noch nie, nicht einmal momentweise, so deprimiert gesehen, und es übte eine eigentümliche Wirkung auf ihn aus. Man mußte ihr irgendwie helfen; die Last, die sie trug, war weder
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