Macht nichts, Darling
ihren Jahren noch ihren Kräften angemessen. Wenn sie erst diese unrentable Farm los war, würde es eher möglich sein... Was? Hugh Davenport wich nun doch einer allzu genauen Fragestellung aus. Natürlich hatte er Sally sehr gern, aber sie war zu unberechenbar, und er ließ sich von einer Frau nicht gern mit immer neuen verrückten Einfällen überraschen. Auch ihre treue Verbundenheit mit Matthew war ein Problem — unmöglich, sich den Alten im gepflegten Heim eines aufstrebenden Rechtsanwalts vorzustellen... Hugh schloß die Zukunft einstweilen energisch aus seinen Gedanken aus, packte seine Papiere wieder in die Aktentasche und empfahl sich nach einer Viertelstunde unverbindlichen Geplauders.
Der Auktionserlös war natürlich unbefriedigend. Zufällig wurden am gleichen Tage zu viele andere alte Kühe angeboten, und die Sallys brachten pro Kopf nur fünfundzwanzig Pfund. Matthew hatte diesmal recht behalten. Für Sally war es ein neuer Schlag, und sie dachte einen Moment sehnsüchtig, welche Erleichterung es sein müßte, ein paar Tränen zu vergießen. Aber Tränen lohnten sich nur, wenn eine Schulter da war, an der man sich ausweinen konnte. Früher hatte sie, allerdings sehr selten, ihren Kummer zum Vater getragen. Nun stand ihr nur noch Matts Schulter zur Verfügung, und die lockte nicht besonders.
Der Nebengedanke, was er wohl für ein Gesicht machen würde, falls sie an seinem Hals in Tränen zerflösse, war so erheiternd, daß sie schon wieder lächelte, als sie beim Verlassen des Hofes, in dem die Versteigerung stattgefunden hatte, zufällig Simon in die Arme lief. »Pech gehabt, Sally«, sagte er mitfühlend. »Hast dir einen schlechten Tag ausgesucht. Deine Kühe waren mehr wert.«
»Nun ja. Macht nichts, Darling!« Sie rettete sich betont munter in ihren alten Slogan und fügte hinzu: »Ich gehe jetzt noch schnell zur Bibliothek und tausche meine Bücher um. Hast du auf Luthens tüchtig Propaganda für Judith gemacht?«
»Ja. Mehrere unserer Leute haben sich schon eintragen lassen. Bei einigen staune ich über den plötzlichen Lesehunger, aber ich vermute, das Mädchen zieht mehr als die Bücher.«
»Sie ist nett, nicht?«
»Sehr.« Sally wunderte sich über dies unumwundene »Sehr«, das aus Simons Munde doppelt und dreifach wog. Er äußerte sich im allgemeinen nicht so enthusiastisch über weibliche Wesen. Judith mußte ihm auf den ersten Blick gefallen haben... wie konnte es auch anders sein? Sally fielen die sprichwörtlichen Schuppen von den Augen. Dies war die gesuchte Lösung! Warum hatte sie nur nicht gleich an Judith gedacht? Judith war die einzig Wahre für Simon und saß ihm sozusagen direkt vor der Nase. Nur mit Mühe konnte Sally ihren plötzlichen Gemütsaufschwung vor Simon verbergen, und als sie in die kleine Leihbücherei kam, sah sie Judith mit ganz neuen Augen an. Wirklich, das war die Frau nach Maß für Simon: still, zurückhaltend, intelligent und sehr, sehr hübsch. Sie würde eine wunderbar umsichtige Verwaltersfrau abgeben und Simon aus allen Nöten erretten. Sally war fest entschlossen, das Ihrige dazu tun. Sie kannte und schätzte Judith ja schon seit einiger Zeit und hatte sich sehr über den typischen Dorfklatsch geärgert, der ihr über die »Zugezogene« zu Ohren kam. Da hatte doch irgendein Trottel zu behaupten gewagt, die junge Dame sei nicht so damenhaft, wie sie schiene; bei ihr ginge allerlei vor... So eine niederträchtige Verleumdung! Aber so redeten die Leute ja immer, wenn eine junge Frau in selbstgewählter Zurückgezogenheit lebte.
Auch heute während der Auktion hatte Sally wieder solche Gerüchte gehört und war den Schwätzern hitzig über den Mund gefahren. Einer entblödete sich nicht, überall herumzuerzählen, er hätte mit eigenen Augen gesehen, wie zu verdächtig später Stunde ein Mann aus Judiths Wohnung kam. »Natürlich — einer, der sich noch schnell ein Buch holen wollte, warum nicht?« hatte Sally wütend erwidert. »Nicht jeder hat tagsüber Zeit, und Judith kann es sich noch nicht leisten, Kunden nach Ladenschluß einfach wegzuschicken. Ich war auch schon spätabends da. Aber es scheint ganz unerhört zu sein, daß manche Kunden männlich sind.« Für den Moment hatte sie den Leuten damit den Mund gestopft, aber die Sache ärgerte sie weiter, und nun, da Simons Glück mit auf dem Spiel stand, mußte sie dem Geschwätz noch energischer einen Riegel vorschieben. Sie würde bei jeder Gelegenheit eindeutig zeigen, daß sie auf Judiths
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