Macht nichts, Darling
Ihrer Wohnung kommen sehen. Das haben sie sich also doch nicht aus den Fingern gesogen.«
»Verflixt noch mal«, sagte Jan leise, aber inbrünstig. »Man kann nicht vorsichtig genug sein. Ich hätte dich gar nicht erst in dieses Klatschnest kommen lassen dürfen, Liebling. Weiter weg hättest du weniger Ärger mit mir.«
Judith schwieg, aber ihre Augen redeten eine so deutliche Sprache, daß Simon sich räusperte und das zärtliche Zwischenspiel mit der praktischen Frage beendete: »Gibt’s denn gar keinen Ausweg? Da Sie verheiratet sind, haben Sie Anspruch auf einen unserer Bungalows wie alle Ehepaare auf Luthens. Suchen Sie sich einen aus, und die Sache geht in Ordnung.«
»Leider können wir es nicht riskieren«, sagte Judith fest. »Es wäre ja wundervoll, aber es könnte auch für die Zukunft alles ruinieren. Da lasse ich lieber die Leute über mich zischeln, so lästig es ist...«
»Macht nichts, Darling!« warf Sally fröhlich ein.
Simon strafte sie mit einem strengen Blick. »Wie Sie schon bemerkt haben werden, ist dies Sallys Motto. Ein dümmeres konnte sie nicht finden.« Es klang so paukerhaft, daß Sally ihm am liebsten eine geklebt hätte. »Selbstverständlich macht es allerlei. Glauben Sie im Ernst, daß Ihr Vater nicht mit sich reden läßt, bevor Sie dreißig sind?«
»Ich sage Ihnen ja, es ist seine fixe Idee. Jede Diskussion darüber bringt ihn zur Raserei. Und er hat schon ein paar Herzanfälle hinter sich.«
»Die reinste Erpressung!« zürnte Sally. »Verzeihen Sie, Jan, es handelt sich um Ihren Vater, aber ich... ich empfinde keine besondere Sympathie für ihn.«
Simon rief sie zur Ordnung und meinte, man müsse das alles gut überlegen, eine Lösung sei sicher möglich, bis Sally ihn wiederum mit der groben Bemerkung unterbrach, solche Gemeinplätze hätten noch nie jemandem geholfen. Und damit trennte man sich, da die Diskussion nicht gut bis in die Nacht hinein ausgedehnt werden konnte. Sally versprach, Tante Dorothy irgendeine Erklärung für Judiths Abwesenheit zu geben.
»Ich werde sagen, Sie wollen noch den Sonnenuntergang bewundern...«, zwitscherte sie, worauf Simon sich für die »Gemeinplätze« revanchierte, indem er beiläufig sagte, Judith werde schon bemerkt haben, daß Sallys höchster Genuß sinnloses Schwindeln sei. Kein Wunder, daß sie daraufhin in ziemlich feindseligem Schweigen den Rückweg zum Hause einschlugen, bis Sally einen geräuschvollen Seufzer ausstieß und plötzlich murmelte: »Es tut mir so leid, Simon — so furchtbar leid.«
Er sah sie erstaunt an. Natürlich hatte es ihm wenig behagt, daß sie ihm vor einem Untergebenen über den Mund gefahren war, aber er hatte deswegen keine ausdrückliche Entschuldigung erwartet.
»Schon gut«, winkte er ab. »Mir ist ja bekannt, daß du immer und um jeden Preis witzig sein mußt.«
»Witzig? Von witzig ist hier keine Rede. Ich bin so enttäuscht.«
Simon blieb stehen und sah forschend zu ihr herunter. »Wovon redest du eigentlich? Vielleicht noch von deinen schlecht verkauften Kühen? Ja, Mädchen, das war nun mal ein verdammtes Pech, aber damit muß man immer rechnen. Die schlechten Zeiten gehen auch mal vorüber. Wenn du erst die Farm los bist und — «
»Ach, hör doch endlich von der Farm und den blöden Kühen auf!« unterbrach sie ihn ungeduldig. »Das hab’ ich längst vergessen. Kannst du an gar nichts anderes denken als an Geld und Gut? Hast du keine Seele, Simon?«
Ihm wurde grausig klar, daß sie phantasierte. Nie zuvor hatte er das Wort »Seele« von Sallys Lippen gehört, und niemand konnte sich mehr für praktische Dinge interessieren als sie. »Nun bin ich so klug wie zuvor«, sagte er beschwichtigend. »Ich weiß immer noch nicht, wovon du redest. Was macht dir denn solchen Kummer, wenn nicht die Farm? Du hast geseufzt wie ein Dampfkessel und ein jammervolles Gesicht dazu gemacht. Was ist los?«
»Ich rede natürlich von Judith und Jan!«
»Ach so. Ja, die beiden haben auch Pech — der Vater scheint ja störrisch zu sein wie ein alter Esel. Und sein schwaches Herz benutzt er natürlich als Druckmittel. Aber mit der Zeit kommt das schon alles ins Lot, und die beiden haben ja ihren Dreh gefunden, um trotzdem glücklich zu sein. Wozu also unnütz Staub aufwirbeln? Diese Judith ist sicher sehr nett, aber so lange befreundet seid ihr nun auch wieder nicht, daß du dir ihre Angelegenheiten dermaßen zu Herzen nehmen müßtest. Gewöhne dir bloß ab, dauernd an andere Leute zu denken.
Weitere Kostenlose Bücher