Macht nichts, Darling
Kümmere dich um deine eigenen Sachen und nicht um — «
»Um dich hab’ ich mich gekümmert, einzig und allein um dich!« fauchte sie ihn an und ließ vor Wut über seinen unerträglich lehrhaften Ton alle Vorsicht fahren. »Dumm genug, daß ich mich immer noch um einen so herzlosen und undankbaren Burschen kümmere wie dich, aber ich war so froh, als ich auf Judith kam... Sie wäre ganz die Richtige gewesen. Sie ist reizend, und Tante Dorothy mag sie auch, und — «
Sie biß sich ernüchtert auf die Lippen. Simons bedrohliches Schweigen und sein nicht minder bedrohlicher, starrer Blick kamen ihr plötzlich zum Bewußtsein. Nun sagte er langsam: »Hast du mich diesmal etwa mit Judith verheiraten wollen? Sally, du wirst allmählich so besessen wie dein Großonkel — nur daß sein Elfentick harmloser ist als deiner. Das also steckt hinter deinem herzbrechenden Seufzer! Du kannst es nicht lassen, Intrigen zu spinnen, ganz gleich, ob deine Opfer einverstanden sind oder nicht. Von Judiths Bereitschaft, sich verkuppeln zu lassen, brauchen wir gar nicht zu reden. Aber geht es dir nicht langsam auf, daß auch ich den Wunsch und das Recht habe, mir selbst eine Frau auszusuchen und mein Leben einzurichten, wie ich will?«
Der Zorn funkelte ihm aus den Augen, und Sally fühlte sich kleiner und häßlicher denn je. Sie wandte mit tonloser Stimme ein: »Ich wollte doch bloß unserer dummen Scheinverlobung ein Ende machen. Wir fühlen uns doch beide nicht wohl dabei. Und da dachte ich eben, du würdest froh sein, wenn du ein anderes nettes Mädchen findest und mich endlich los wirst...«
Simon begann übergangslos zu lachen. »Mein Gott, Sally, was für eine gemeingefährliche Intrigantin ist aus dir geworden! Und früher warst du mal ein so unkompliziertes kleines Mädchen.«
Niemand läßt sich gern ein »unkompliziertes kleines Mädchen« nennen, und Sally reagierte dementsprechend kratzbürstig. »So, also ich intrigiere und bin gemeingefährlich. Du siehst die Sache natürlich nur von deinem Standpunkt aus an, aber ich bin ja immerhin mitbeteiligt. Wenn wir endlich entlobt wären — « Sie hielt inne und suchte nach Worten, um ihm die eigenen rosigen Aussichten zu schildern, aber zu ihrer Beschämung fand sie im Moment keine.
Nach einer kurzen, abwartenden Pause stellte Simon die überraschende Frage: »Sag mal, Sally, hat dein Vater dich manchmal verdroschen, als du noch klein warst? «
»Verdroschen? Was für ein ordinärer Ausdruck! Natürlich nicht. Vater hätte mich nie im Leben geschlagen.«
»So ein Jammer«, bemerkte Simon bissig und ging ohne ein weiteres Wort mit langen Schritten dem Hause zu.
11
Sally verarbeitete ihre Enttäuschung, so gut sie konnte. Nachdem Simon wieder an seine Arbeit gegangen war, blieb sie noch ein Stündchen bei Tante Dorothy, die sie nach kurzer Überlegung in Judiths Geheimnis einweihte. Daß die alte Dame dichthielt, war selbstverständlich. Sie hörte sich denn auch alles mit gewohnter Gemütsruhe und leicht zerstreuter Miene an und äußerte sich nur über die Haltung des alten Mr. Fraser eindeutig mißbilligend. »Aber das kennt man ja«, fügte sie gleich mildernd hinzu. »Das einzige Kind alter Eltern, und obendrein ein schwaches Herz — davon werden die Leute so unvernünftig.« Sally konnte dem nicht ganz entnehmen, ob Tante Dorothy nun vorwiegend die Herzschwäche, das Alter oder den Status des Einzelkindes für die jetzige Situation verantwortlich machte; aber die Hauptsache war schließlich, daß Tante Dorothy informiert war und auf seiten der jungen Leute stand.
»Ich muß jetzt nach Hause«, sagte Sally und stand auf. »Jan will Judith nachbringen, sobald es dunkel ist. Sie übernachtet bei mir und radelt dann morgen früh nach Queensville zurück. Simon hat es so vorgeschlagen.« Daß Simon sie nicht aufgefordert hatte, hier auf Judith zu warten, brauchte sie ja nun nicht extra zu betonen.
Mrs. Forster machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten, sondern klopfte ihr zum Abschied lediglich den Arm mit der rätselhaften Bemerkung: »Kopf hoch, Kindchen. Du hast dein Möglichstes getan... Vielleicht klappt’s das nächstemal besser.« Sally konnte bei der rühmlosen Heimfahrt nicht daran zweifeln, daß Tante Dorothy auch diesmal genau gewußt hatte, was sie im Schilde führte.
Das letzte, was Sally nach diesem mißglückten Tag noch fehlte, war die unwirsche Begrüßung, die ihr Matthew beim Betreten des Hauses zuteil werden ließ.
»Ich denke,
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