Macht: Thriller (German Edition)
Wotruba traute seinen Ohren nicht. »Man darf im Museum auch keine Kollegin von Ihnen umbringen! Trotzdem hat es einer gemacht! Wär’s nicht so, wären ich und mein Tschick nicht da!«, blaffte der Chefinspektor und schickte eine Rauchwolke durch das Loch in der Decke zur Kuppelhalle hinauf. »Ich nehme an, dass Sie Ihr Museum demnächst wieder für Besucher und Touristen aufsperren wollen. Am liebsten schon heute. Oder? Da wär’s dann doch eher scheiße, wenn sich die Freigabe des Tatorts ein paar Wochen hinziehen täte? Oder?«
»Sehr wohl, ganz wie Sie wünschen, Herr Inspektor! Die eine Zigarette macht das Kraut nicht fett.« Der Museumsangestellte hob beschwichtigend die Hände, buckelte in den Hintergrund und brummelte Unverständliches über Polizeiherrlichkeit und andere Unannehmlichkeiten.
»Ich pack’s nicht!« Wotruba funkelte dem Bürohengst hinterher. »Tschuldigung, Frau Doktor, wo sind wir grade unterbrochen worden?«
»Vergleichen Sie, Inspektor! Fällt Ihnen etwas auf?« Josephine hielt nochmals die Spielkarte hoch. »Diesmal sind das Bild auf der Tarotkarte und die Inszenierung der Leiche nicht identisch. Er entfernt sich von der Vorlage, verstehen Sie. Um uns etwas mitzuteilen.«
Wotruba nahm der Frau Doktor die Spielkarte aus der Hand. Die Tote hatte Arm und Zeigefinger nicht nach oben, sondern nach hinten ausgestreckt. Sie zeigte auf etwas in ihrem Rücken. Wotruba sah genauer hin. Der Winkel deutete die Stiege hinauf. Der Chefinspektor stellte sich unter die Hand der Toten und schritt in der gewiesenen Richtung auf den Freitreppenansatz zu. »Das Bild«, sagte Wotruba und spähte in den Halbstock hinauf. »Die Tote zeigt eindeutig auf das Bild mit der Perückenschwuchtel da oben.«
»Sie meinen wohl das Kaiserbild«, schaltete sich der Vertreter der Museumsleitung ein und stellte sich neben den Chefinspektor.
55
D ie junge Frau gähnte und steckte den Schlüssel ins Schloss. Sie schnürte ihre Schuhbänder auf, öffnete die Wohnungstür und kickte die schwarzen Lederschuhe in das Vorzimmer. Sie knipste die Vorzimmerleuchte an und schnupperte. Eine Note Azeton lag in der Luft. Es roch nach Superkleber. »Schatzi?! Bist du noch auf?« Keine Antwort. Die junge Frau nahm die Tellerkappe vom Kopf, zog den Haargummi ab und schüttelte ihr Haar aus. Sie ging zur Treppe und spähte nach oben. Aus dem Büro im oberen Teil der Maisonette glühte blassblau der 30-Zoll-Computerbildschirm. »Ich sehe, dass du noch wa-a-ach bist!«, rief sie gutgelaunt. »Wusste ich gleich, wie ich den Plastikpick gerochen hab«, ergänzte sie leise, löste die Koppel samt Pistolenhalfter von der Hüfte und hängte Waffe, Gürtel und Uniformkappe an die Garderobe. »Entschuldige bitte den Überfall. Ich weiß eh, ich hätt vorher Bescheid sagen sollen. Aber ich schlaf heut ganz sicher nicht allein daheim. Ich wollt nur noch zu dir. Du glaubst ja gar ned, was heut im Dienst passiert ist«, plauderte sie lautstark drauflos und schlüpfte aus der Hose.
Es war noch nicht lange her, seit es zwischen ihr und Mitterlechner gefunkt hatte. Zwischen der zu kurz geratenen Revierinspektorin und dem IT-Forensiker mit dem Chip im Arsch, wie die lieben Kollegen gemeint hatten. Aber lange genug, um seinen Wohnungsschlüssel zu haben und damit Zugang zu einem sicheren Hafen, wenn es draußen vor der Tür stürmisch wurde.
Ein bisserl peinlich war ihr das jetzt schon. Er sagte gar nix. Sie hätte wahrscheinlich wirklich vorher anrufen sollen. Das war leider nicht mehr zu ändern, die Milch war verschüttet. Sie blieb wie angewurzelt stehen, trat von einem Fuß auf den andren und beobachtete ihre Zehen in den Kniestrümpfen. Aus dem Arbeitszimmer war immer noch nichts zu hören. Sie beschloss, die Lücke mit einem Schwall Erklärungen zu fluten. »Alarm im Naturhistorischen! Wir alle so: Naa, bitte kan neuen Saliera-Raub! Also alle gleich hin mit vollem Gschäft. Was finden wir vor? Keinen Einbruch. O nein! Schön wärs. Die ganze Security-Mannschaft erschossen, und eine Doktor Soundso nackt auf einem ausgestopften Löwen. Ermordet von dem neuen Typen, an dem der Wotruba dran ist – weißt eh – der Tarotkarten als Visitenkarte am Tatort hinterlässt. Der oide Wotruba hat eine Scheißlaune gehabt, ich sags dir. Hat uns gleich alle zusammengeplärrt, von wegen Schweigepflicht und keine Presse. Wir waren alle sooo klein mit Hut. Gott, war ich froh, wie ich dort wieder wegkönnen hab, wie die von der Tatortgruppe angerauscht sind.
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