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Macht: Thriller (German Edition)

Macht: Thriller (German Edition)

Titel: Macht: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David G.L. Weiss
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mit wehenden Haaren, wogenden Brüsten und scharfen Waffen standen in den Regalen. Aiakos schmatzte und rümpfte die Nase. Noch mehr Figuren und Spielzeug trockneten frischlackiert auf einer Lage Zeitungspapier direkt neben der Workstation . Sauhaufen. Der junge Mann mit dem Wuschelkopf lag vor dem Computer. Sabber sickerte in die Tastatur. Die Arme hingen schlapp an dem Gekrümmten herunter. Die Spielfigur mit den verschmierten Farben lag neben den nackten Füßen. Ein zerknüllter Notizzettel war zwischen die Kabel der Computerperipherie gerollt. Aiakos bückte sich, hob das Blatt auf und strich es glatt. »Respekt!« Ein schiefes Lächeln erschien in seinem Gesicht, und er nickte der Leiche des forensischen Informatikers zu. »Das hätte ich Ihnen gar nicht zugetraut. Dem Mädchen ja. Ihnen? Nein!« Der Bruder lachte in sich hinein und schüttelte den Kopf. Er wurde schlagartig wieder ernst und marschierte ein paar Schritte auf und ab. »Hänsel und Gretel«, flüsterte er und blieb stehen. Er beugte sich über Mitterlechner und klemmte das Notizblatt mit den Zahlen zwischen die Tasten des Keyboards. »Folgen die Kinderlein der Wegmarkierung, oder fressen die Vögel des Waldes die Brotkrumen?« Er legte dem Toten sanft die Rechte auf den Kopf. »Oder delektieren sich die schwarzen Krähen an den Kindern? Was meinen Sie, Sie Tangobubi? – Augen auf, lautet der Tagesbefehl!«
    Aiakos nahm das Fläschchen Sekundenkleber vom Beistelltisch und packte zu. Er zog den Kopf des Informatikers an den Haaren hoch und klemmte sich das Gesicht unter den Arm. Er öffnete die Augen und fixierte die Lider mit Klebstoff. Mehr von dem Kleber tropfte Aiakos auf die Daumen und Zeigefinger, presste die Kuppen auf die Tastatur und richtete den Toten in seinem Schreibtischstuhl auf als säße er bei der Arbeit. Oder bei was auch immer. Aiakos schmatzte und beäugte die Stapel Computerspielverpackungen, DVDs und Blue-ray -Hüllen. Die Farbflecke in der Handfläche und auf den Fingern beachtete Aiakos gar nicht erst. Ein erwachsener Mann, der sich die Zeit mit Sexpüppchen und Tsching-Bumm-Krach-Filmen totschlug, legte auch keinen Wert auf saubere Hände.
    Zuletzt klebte Aiakos die Tarotkarte auf den 30-Zoll-Monitor. Genau in den Blickpunkt der leeren Pupillen. Mitterlechner glotzte auf das Rad des Schicksals. Auf die Zehn der Großen Arkana.

54
    Wien, 13. Oktober 2012
    D ie Nackte auf dem Rücken des Löwen im Foyer des Naturhistorischen Museums, sie glich in diesem Umfeld mehr einer Skulptur im Stil des Surrealismus oder einem Happening des Wiener Aktionismus als einem Tatort. Josephine verzweifelte an der Grenze zwischen Illusion und Wirklichkeit. Sie umrundete die Installation aus Frauenleiche und Tierpräparat mit der Tarotkarte Lust in der Hand. Wie ein Galeriebesucher, der eine Provokation umkreiste und sich dabei in den Ausstellungskatalog vertiefte. Aber die Erläuterungen des Künstlers oder des Galeristen blieben aus. Die Auflösung der Fiktion befreite hier niemanden. Josephine musste die grausige Realität lesen. Und es war ihr schmerzlich bewusst, dass sie im Moment genau das tat, was der Mörder von ihr wollte. Sie sollte in seinem Sinne nach dem Konzept hinter seinem Tun forschen. Josephine blieb stehen und schaute sich um. Die Tatortgruppe, sie selbst, sie alle waren das Publikum. Der Typ plante die Betrachter von Anfang an ein. Sie waren fixer Bestandteil der Inszenierung. Er machte sie alle zu Mittätern! Sie interpretierten den Irrsinn zu seiner Botschaft. Josephine kniff die Augen zusammen und fokussierte das Gesicht der ermordeten Frau, den stützenden Bügeldraht in ihrem Kreuz, die straffgezogenen Textilklebebandschlingen um Arme und Beine. O nein, der Typ war kein Künstler.
    Wotruba überflog den provisorischen Bericht der Tatortgruppe. Er gesellte sich zu Mahler, ohne von den Blättern aufzusehen. »Die Tote heißt, oder besser gesagt, sie hat Ulrike Moosbrugger geheißen. Ist auch eine Frau Doktor gewesen, Frau Doktor. Eine Historikerin. Hat für das NHM in der Abteilung Archiv und Wissenschaftsgeschichte gearbeitet. Ein Bücherwurm, nix Besonderes.«
    »Warum, Inspektor? Warum hat er ihr das angetan?«
    »Genau das will ich von Ihnen wissen.« Wotruba schob sich die Papiere unter den Arm. »Die Ulrike Moosbrugger – und das bleibt bitte unter uns, Frau Doktor – die Moosbrugger hat mit unsrem Freund Ian Thorpe eine kleine Privatführung durch das Museum gemacht, bevor wir ihn heute –« Der Chefinspektor

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