Macht und Rebel

n-n-nein«, sagt Cato untertänigst.
    »Schick mir den ganzen Scheiß noch mal, wenn ich meinen Krempel hier bisschen aufgeräumt hab«, kommandiert Fatty. Cato gehorcht. Er rollt seinen Hackerleib auf dem Bürostuhl vom Telefontisch zu den vier Bildschirmen rüber, der einzigen Lichtquelle im Raum, legt die Hand an die Maus und will das Material noch einmal absenden, dann fällt ihm gerade noch rechtzeitig ein, dass Fatty bei so was ziemlich lahm zu sein pflegt, und er beschließt, noch zu warten. Er trommelt mit den Fingern auf dem Mouse-Pad herum.
    Catos Mouse-Pad ist mit einem Foto bedruckt. Es zeigt Rocco Siffredis Penis, der eine anonyme Frau anal penetriert. Cato ist ein großer Fan. Kein Wunder. Cato ist ein Nerd. Cato ist Single. Cato wird Single bleiben. Cato ist ein PC-Pornster. Seine Fickbiographie ist ein armseliges Kapitel. Allenfalls ließe sich darüber sagen, dass sie speziell ist, denn 1999 hatte er ein Mal das Glück, GRUPPENSEX zu erleben. Ja. Mit neunzehn Mitwirkenden. Sogar mit zwanzig, wenn man ihn mitzählt. Um auch Catos Fickfrequenz in einer Grafik darzustellen, in Form einer Kurve:

    Ja, und nichts spricht dafür, dass sich die Misere so bald ändert. Wie immer geht Cato auch jetzt den direkten Weg zur Lösung des Problems »Körper-braucht-anderen-Körper« und lädt ein paar Ferkeleien aus dem Netz herunter, die er anstarrt, bis Fatty seinen »Krempel aufgeräumt« hat. Nach einer halben Stunde Warten (lies: mpeg-Glotzen) schickt er die Geheimunterlagen erneut, was Fatty – der erst ein Achtel der Dateien gelöscht hat, die er in der Zwischenzeit hatte in den Orkus schicken wollen – eine erneute Datenverstopfung beschert. Mit tränenfeuchten Augen starrt er aufs Telefon, verflucht Cato innerlich und überlegt, ob sein strapaziertes Herz den Klang von Catos stotternder Hackerstimme heute überhaupt noch einmal erträgt. Nein, er glaubt nicht. Keiner der grenzenlos nervenden PUSH-Mitstreiter nervt Fatty so wie Cato an einem schlechten Tag. Da ruft unerwartet Macht auf dem Handy an, und Fatty Frank vergisst Cato sofort.
    »Tach Frank, wie sieht's aus?«
    »Macht?« Fatty räuspert sich, um die belegte Stimme zu klären.
    »Ja, ich bin's. Wie sieht's aus?«
    »Gut, gut, die Jungs sind schon an der Arbeit. Die Aufgaben sind verteilt.«
    »Dann rollt die Sache? Cool.«
    »Yess.«
    »Du?« Macht hat seine Geschäftsstimme angeschaltet.
    »Ja?«, fragt Fatty schwanzwedelnd.
    »Hast du mal ne Kontonummer? Du brauchst doch sicher was Knete für die Vorbereitungen.«
    »Yess, klar«, sagt Fatty, dessen Prinzip es doch immer gewesen ist, kein Geld von »fremden Männern« anzunehmen. Aber Macht hat ihn überzeugt, und innerhalb von zwanzig Minuten ist auf elektronischem Wege ein Haufen Geld auf seinem Konto eingetroffen, das schmutziger ist, als er es sich in seinen wüstesten Träumen vorstellen könnte.
    »Ich ruf morgen wieder durch«, sagt Macht. »Muss jetzt auflegen. Hier ist eine junge Dame, die … hähä… Papas Dingens will …«
    »Hääää…?« Fattys Stimme bebt.
    »Neee, nichts«, sagt Macht.
    »Hää. Macht. Mach keine Witze. Was hast du gesagt, Macht?«
    »Hä? Nö, nix, ich muss nur auflegen und mich um die Jugend kümmern. Echt, Fatty, der reinste Ausdauertest. So kleine Mädchen sind fit wie Marathonläufer, ich kann dir sagen. Kommste kaum nach.«
    »Wahn … ganz schön fett, Mann … Schönen Gruß auch!«
    »Ja, ganz schön fett, kann man sagen … Abwarten. Ada hat jede Menge Freundinnen, und eine verteufelt hübsche Schwester. Jepp. Na, wir konzentrieren uns besser erst auf den Job, was, Frank. Tschüss.« (Klick).
    Fatty, der sich selbst als Sub Surface Hero ansieht, der eine ganze Widerstandsbewegung anführt, einen Haufen Leute, die, so hofft er, »international schlechtes Benehmen« an den Tag legen, »global schlechte Haltung«, die »transnationale Geschmacklosigkeit« und »multinationale Unverschämtheit« praktizieren, dieser Fatty weiß nicht, wie er mit dem Schmerz umgehen soll, der ihn gerade zerreißt. Es tut so weh. Sein Herz wird zerquält, und daran ist nicht die Herzverfettung schuld. Nein, hier ist die Rede von MENSCHLICHEN GEFÜHLEN.
    Fatty kritzelt den Schlüssel für sein persönliches Paradoxon auf den Notizblock:
    F uck
    A ll
    T empting
    T eenies allwa
    Y s.

PUSH BATTLE INFORMATION
Demonstruction name
Technical-Strategic Infiltration-Vessel Against Gonzopolitics
     
Demonstration against
payplug
Date
23.05
Time
12.00
Place
payplug main office,